Eine skandalöse Braut
an.
»Aber es ist noch etwas geschehen.« Luke konnte zwar nicht in Michaels Miene lesen, aber er kannte seinen Freund sehr gut.
»Dieser Schlüssel hat diese missliebige Romanze durchaus zu befeuern gewusst, ja.« Michael schob einen tief hängenden Ast beiseite. Die Blätter waren schwer von den Regentropfen, die noch an ihnen hafteten. »Jemand mischt sich ein.«
»Jemand mischt sich ein? Wie das?«
Sie überquerten die Straße und erreichten das Anwesen von Lukes Familie, während er Michaels Erklärungen lauschte. »Jemand hat anonym alte Liebesbriefe an Lady Amelia und Alex geschickt«.
»Das wirft zwei Fragen auf: wer und warum?«
»Nicht zu vergessen die Frage, wie er das gemacht hat«, fügte Michael sanft hinzu. »Es hat mich nur wenig Nachforschung gekostet, mehr über den Skandal zu erfahren, der vor einigen Jahrzehnten die Gesellschaft erschütterte. Amelias Großvater, der damalige Lord Hathaway, war darin ebenso verstrickt wie die Schwester des Dukes of Berkeley, also die Tante des jetzigen Dukes. Alex hat mir erzählt, Hathaway sei zu dem Zeitpunkt bereits verheiratet gewesen. Aber das war nicht das Problem; wir wissen beide, dass man sich oft genug über ein Eheversprechen hinwegsetzt. Sie war nicht verheiratet, und meine Quelle hat mir bestätigt, dass sie jung, wunderschön und prädestiniert war, eine gute Partie zu machen. Daher war der Duke außer sich vor Wut, und er forderte Hathaway zum Duell, nachdem die Lady unter mysteriösen Umständen gestorben war. Er tötete den Earl im Duell, und seitdem können die beiden Familien einander nicht mehr ausstehen.«
Luke ließ diese Zusammenfassung auf sich wirken. Die feuchte Luft stieg als Nebel von der Straße auf. »Ich vermute, das erklärt den Hass zwischen beiden Familien.« Weder Amelia noch Alex hatten mehr als ein Familienmitglied bei der Hochzeit begrüßen dürfen. Auch wenn beide sehr glücklich miteinander wirkten, war dies doch kein gutes Vorzeichen für eine zufriedene Zukunft.
»Das stimmt«, gab Michael zu.
»Es scheint mir daher der logische Schluss zu sein, dass die Briefe jene der schicksalsträchtigen Liebenden von einst sind.«
»Ich kam zu demselben Schluss.«
»Aber wer hat ihnen die Briefe geschickt?«, fragte Luke langsam. »Und wie zum Teufel ist derjenige in den Besitz der Briefe gelangt?«
»Das ist eine spannende Frage«, sagte Michael, als denke er laut nach, während sie die Stufen zum Stadthaus hochstiegen. »Zunächst hatte ich entweder Amelias Tante oder Alex’ Großmutter in Verdacht. Schließlich erscheint es nur logisch, wenn eine Frau mit den Briefen einer alten Romanze versucht, eine neue zu befeuern. Aber ich sehe einfach nicht, wie Lady McCay in den Besitz der Briefe gelangt sein könnte. Sie ist mit den Pattons nur durch die Heirat ihrer Schwester verbunden, und Amelias Mutter ist bereits vor Langem verschieden. An der alten Fehde war Lord Hathaways Vater beteiligt, und wenn Hathaway im Besitz der Briefe ist, würde er sie wohl kaum seiner Schwägerin aushändigen. Außerdem: Wenn sie die Briefe hätte und wollte, dass Amelia sie liest, dann würde sie ihr doch einfach das ganze Bündel in die Hand drücken.«
Luke öffnete die Tür und ließ Michael den Vortritt. Ein Lakai eilte ihnen entgegen und nahm die Mäntel ab. Das warme Haus war nach der feuchten Kälte draußen eine Wohltat. Kurze Zeit später hatten sie sich in zwei Sesseln vor dem Kamin der Bibliothek niedergelassen und genossen ein Glas Whisky. Michael fuhr fort: »Aus ganz anderen Gründen habe ich die Witwe des Herzogs von meinem Verdacht freigesprochen. Die mit diesem Vorgehen verbundene Raffinesse ist untypisch für sie, und ich bezweifle ernsthaft, ob sie eine Allianz zwischen den beiden Familien auf irgendeine Weise unterstützen würde.«
»Du nimmst viel Anteil an diesem Drama.« Luke war amüsiert.
»Nur wegen Alex«, sagte Michael ohne sichtliche Regung. Er lehnte sich entspannt zurück und streckte die Beine aus. »Ich werde wahrscheinlich nie vergessen, wie ich in jener winzigen Hölle von französischer Zelle das Bewusstsein wiedererlangte und er sich über mich beugte. Sein Gesicht war vom Schwarzpulver geschwärzt, nachdem er in einer gefährlichen Aktion das Arsenal erobert hatte. Ich habe damals gedacht, ich halluzinierte vor Schmerz.«
»Er war so sicher, dich dort zu finden. Unsere Informanten hatten immer darauf beharrt, man habe dich nach Norden gebracht. Weil er so sicher war, habe ich Wellington um die
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