Eine skandalöse Braut
durch das Fenster und ließ ihr Haar aufleuchten. Der Anblick lenkte ihn ab, weshalb er die Frage den Bruchteil einer Sekunde zu spät begriff. An diesem Morgen hatte er sein Gesicht in dieser seidig goldenen Masse vergraben, als er in ihr kam und die reine, verzückende Leidenschaft ihn erfasste. Sie hatte in seinen Armen gebebt, während ihr eigener Höhepunkt sie erfasst hatte. Es war etwas völlig anderes, seine eigene Frau zu lieben. Warum hatte er vorher nie geahnt, dass es so herrlich sein könnte?
»Alex?«
Er kam wieder zu sich und gab sich größte Mühe, diese sinnliche Erinnerung beiseitezuschieben. Es war verständlich, dass sie nervös war, und wenn er könnte, würde er ihre Bedenken so gut wie möglich zerstreuen. »Mein Vater wirkt immer sehr ernst, aber unter dieser Oberfläche ähnelt er deinem Vater sehr. Er ist nicht gefühllos, sondern einfach in gewisser Weise unnahbar.«
Sie lachte leise. »Ich bezweifle, dass sie es mögen würden, wenn man ihnen sagt, dass sie einander ähneln.«
»Ich bin 28«, sagte er, als würde das alles erklären. »Ich bin viel gereist, habe in blutigen Schlachten gekämpft und habe sogar die um ein Vielfaches anstrengendere Lasterhaftigkeit des ton überlebt. Ich besitze ein eigenes Vermögen, und selbst wenn das nicht so wäre, würde ich einen Weg finden, für uns zu sorgen.« Seine Stiefel streiften ihren Rocksaum, als er seine Sitzposition veränderte. »Ich glaube, was ich dir sagen will, meine Süße, ist Folgendes: Du brauchst dich um das, was jetzt kommt, nicht zu sorgen. Wir sind nicht auf ihren Beifall und ihr Wohlwollen angewiesen.«
Er sagte ihr nicht, wie sehr er sich wünschte , seine Familie werde sie akzeptieren. Denn außer ihrer Tante hatte sie nie eine Familie besessen. Unter anderen Umständen wäre er sich der Unterstützung seines Vaters und seiner Großmutter sicher gewesen. Aber in ihrem Fall … Er war nicht sicher.
Verflucht.
Es war unmöglich, ihr etwas zu versprechen.
Die Kutsche kam vor einem runden Springbrunnen zum Stehen. Das musikalische Rauschen des Wassers, das die großen Stufen des Brunnens hinabfloss, war ein vertrautes Geräusch für ihn. Alex stieg aus und half dann Amelia aus der Kutsche. Er war froh, dass wenigstens John ob seiner Ankunft mit seiner Braut im Schlepptau nicht allzu entsetzt wäre. Seine Hand ruhte an ihrem Rücken, als er Amelia die Stufen zur Eingangstür hinauf geleitete. Die riesige Tür, in die das Familienwappen eingelassen war, erhob sich vor ihnen. Ein aufragendes Schwert wurde auf einer Seite von einem Wildschweineber flankiert; auf der anderen Seite war ein Löwe eingelassen, der mit seiner Pranke ausholte.
»Wage es nicht, diese Schwelle zu überqueren«, murmelte Amelia.
Er blickte sie überrascht an, weil sie den Leitspruch sogleich übersetzt hatte. »Du kannst Latein?«
»Ich kann auch genug Griechisch, um mich durch einige Klassiker zu kämpfen, die nicht in der übersetzten Fassung in der Bibliothek meines Vaters stehen.«
Alex hob ihr Kinn und lächelte sie an. »Habe ich eigentlich schon erwähnt, wie sehr ich von jungen, klugen Ladys mit einzigartig blauen Augen angezogen werde?«
»Habe ich schon erwähnt, dass ich mich zu meiner eigenen Überraschung zu verwegenen Dieben hingezogen fühle?«
»Das passt doch.« Er senkte den Kopf.
Ihre Lippen waren weich, samten und warm. Der Kuss war sehr zufriedenstellend, bis er bemerkte, dass in der Zwischenzeit jemand die Tür geöffnet hatte. Als er aufblickte, sah er sich Oates gegenüber. Der Butler stand wartend in der Tür. Er war in einem undefinierbaren Alter und trug genau das makellose Verhalten zur Schau, das seine Stellung als oberster Bediensteter im Haushalt eines erhabenen Dukes verlangte. Gerade zeichnete sich auf seinem dürren Gesicht ein schmerzlicher Ausdruck ab. Entweder weil er diesen zärtlichen Moment störte oder weil die unbesonnene Umarmung direkt auf der Türschwelle stattfand.
Der ältere Mann räusperte sich. »Guten Tag, Lord Alexander.«
»Guten Tag, Oates.«
»Ich wusste nicht, dass wir Euch erwartet haben.« Es schwang nur ein leiser Tadel in diesen Worten mit. Alex fühlte sich an seine Kindheit erinnert.
Es erübrigte sich zu erwähnen, dass Oates stets alles wusste, was in irgendeinem Zusammenhang mit Berkeley Hall stand.
»Es ist ein unangekündigter Besuch«, sagte Alex und straffte sich. Er schien amüsiert. Amelias Wangen waren ausgesprochen rosig, ob vom Kuss oder weil sie dabei erwischt
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