Eine skandalöse Braut
geschickt werden. Dein Vater ist unglücklich, weil du dich über seine Wünsche hinweggesetzt hast, aber er ist nicht völlig unvernünftig. Warum sollte er deine Habseligkeiten behalten?«
Zumindest hoffte sie, Stephen werde sich in dieser Frage vernünftig verhalten. Er hatte erst kürzlich ein kleines Vermögen in die Garderobe seiner Tochter investiert, weil er hoffte, sie werde ein überwältigendes Debüt geben und eine prestigeträchtige Ehe eingehen. Er hatte das bestimmt nicht getan, damit sie mit dem Sohn seines größten Feindes durchbrannte.
Bis er sich an den Gedanken gewöhnte – wenn das überhaupt je geschah –, verhielt er sich unter Umständen vielleicht unvernünftig. Niemand konnte bezweifeln, dass er den beiden gegenüber große Wut hegte.
Angesichts dieser Möglichkeiten, von denen Sophia hoffte, sie würden nicht eintreffen, schlug sie vor: »Nur für den Fall, dass er sich weigert, könnte man den Schneider bestimmt überreden, eine gewisse Eile an den Tag zu legen und die Kleider rasch anzufertigen, für die gestern Maß genommen wurde.«
»Ich bin durchaus imstande, dafür zu sorgen, dass es dir an nichts fehlt, Amelia«, mischte sich der Ehemann ihrer Nichte ruhig ein. »Wenn wir heute nicht in Eile wären …«
Sie drehte sich in seinen Armen zu ihm um. Ihr Lächeln war umwerfend glücklich. »Mir ist es ohnehin ziemlich egal, was ich trage. Frag Tante Sophia. Es ist wirklich kein Problem. Ich erwarte von dir nicht, mich zu verwöhnen.«
»Bitte beraube mich nicht dieses Vergnügens.« Seine dunklen Augen funkelten. Er blickte seine Braut an, während er mit dem Handrücken zärtlich ihre Wange streichelte.
Sophia wusste, die beiden vergaßen jetzt alles um sich herum und verloren sich im Anblick des anderen.
So sollte es sein. Wenn Liebe allein bloß genügte …
Aber manchmal reichte die Liebe nicht. Wenn Anna St. James jetzt noch lebte und man sie fragen könnte, was würde sie wohl dazu sagen?
Ob ich das Gemälde und die Halskette erwähnen soll?
Nein, entschied sie. Die beiden waren so glücklich. Und schließlich war heute ihr Hochzeitstag. Eine alte Tragödie sollte diese Festlichkeiten nicht überschatten.
»Ich möchte jetzt mal festhalten, dass ich Alex schon sehr früh gesagt habe, er stecke in Schwierigkeiten«, sagte Michael. Er gab sich Mühe, nicht allzu selbstzufrieden zu klingen. Sie gingen die Straße entlang. »Diese übereilte Hochzeit bestätigt nur meine Beobachtung.«
Luke trat beiseite, um eine junge Frau vorbeizulassen, die mit zwei Kindern im Schlepptau und einem dritten auf dem Arm vorbeihastete. Seine Stiefel klatschten in eine Schlammpfütze auf der Straße. »Deine bemerkenswert frühzeitige Beobachtung seiner erwachten Liebe wurde ordnungsgemäß vermerkt«, sagte er trocken. »Ich hoffe, du bist nicht beleidigt, wenn ich dich darauf hinweise, dass du nicht die erste Person bist, die bemerkt, dass Gefühle dem Junggesellendasein ein Ende bereiten können.«
»Vielleicht nicht.« Michael blieb ungerührt. »Aber ich bin auch nicht gerade ein Experte auf dem Gebiet. Trotzdem habe ich Alex erklärt, er sei ein idealistischer Dummkopf, als er dachte, er könne kontrollieren, ob er sich in die gewinnende Miss Patton verliebt oder nicht.«
»Sie ist jetzt die gewinnende Mrs St. James.«
»In der Tat. Einer von uns dreien ist gefallen. Ich war nicht überzeugt, dass das je passieren würde.«
Als Freunde waren sie nicht nur im Krieg Waffenbrüder gewesen, sondern auch auf anderen Schlachtfeldern. In Spanien waren sie durch ihre gefährlichen Aufträge für die britische Regierung zusammengeschweißt worden. Aus alten Freunden wurden neue Kameraden. Er hatte Alex nie als einen Mann gesehen, der sich von einer romantischen Anwandlung dazu bringen ließ, heimlich und in aller Eile zu heiraten. In ihm stiegen bittersüße Erinnerungen und Gefühle auf, die zu offenbaren er sich nicht traute. Nicht einmal vor Michael.
Nach dem gestrigen trüben Regentag waren die Straßen nass, und der widerliche Gestank der Stadt war schlimmer als sonst. Aber Luke überlegte sich, dass seine Stiefel nach dem unfreiwilligen Bad in der Dreckpfütze eh schon eingesaut waren. Es war also egal, wo er hintrat. »Diese spannende Suche nach dem Schlüssel lässt mich nicht los. In welches Schloss passt dieser Schlüssel? Und warum um alles in der Welt hat er ihn gesucht? Hat er das dir gegenüber einmal genauer ausgeführt?«
»Nein.«
Michael sah ihn regungslos
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