Eine skandalöse Braut
Männer – vor allem Männer ihres Stands – fragten wohl ihre zukünftigen Frauen, was sie wollten? Ich habe großes Glück, entschied sie in diesem Moment, obwohl sie von Anfang an gewusst hatte, dass zwischen ihnen etwas Besonderes bestand, das mit seinem guten Aussehen oder seiner erhabenen Herkunft nichts zu tun hatte.
»Ich weiß nicht. Ich würde gerne weiter bei Sonnenaufgang mit dir ausreiten, glaube ich. Das wäre schön. Niemand scheint zu verstehen, warum ich so früh aufstehe, aber es liegt ein besonderer Zauber darin, den neuen Tag so zu begrüßen.«
»Die Luft ist frischer. Das ist wichtig für dich.« Seine schlanke Gestalt wirkte entspannt. Alex betrachtete sie, den Kopf in eine Hand gestützt, die Muskeln seines Arms eindrucksvoll angespannt und definiert. »Ich habe schon oft darüber nachgedacht, einen Landsitz zu kaufen. Aber bisher hatte ich keinen Bedarf, denn zumeist halten mich die Geschäfte in London, und in Berkeley Hall verfüge ich über ein eigenes Apartment. Aber das hat sich jetzt geändert. Wollen wir uns etwas Eigenes kaufen?«
Er las ihre Gedanken. Alle Sorgen, ihr zukünftiger Ehemann könne darauf bestehen, in der Stadt seinen Hauptwohnsitz zu behalten, wie es ihr Vater immer getan hatte, schwanden auf einen Schlag. »Würdest du das wirklich für mich tun?«, fragte sie leise. In ihren Wimpern hingen plötzlich Tränen.
Freudentränen. Der beste Grund, um zu weinen.
»Natürlich.« Sein Lächeln war so lieb und, ach, so bezaubernd. »Warum sollte ich nicht?«
Weil du es nicht musst. Weil so viel noch nie jemand für mich getan hat.
Sie konnte es nicht laut aussprechen.
»Natürlich möchte ich am liebsten dort sein, wo du bist.« Alex trank Champagner. Er wirkte so, als sei die Eröffnung, ihre Wünsche zählten mehr als das, was er bevorzugte, für einen englischen Gentleman ganz selbstverständlich. »Für deine Gesundheit ist ein Aufenthalt auf dem Land besser, und du hast mir erzählt, du lebst dort lieber als hier, wo die Stadt dich mit ihrem Lärm und dem Gestank belästigt. Ich dachte an Berkshire. Aber wenn du eine andere Vorliebe hast, darfst du das gerne sagen.«
»Wo du bist, bin ich am liebsten«, erwiderte sie leise.
»Und wenn ich mich für das Land entscheide?«
»Das Hügelland von Berkshire würde mir sehr gefallen.«
Überall. Hauptsache, du bist bei mir.
Vorsichtig nahm er die Teller vom Bett und stellte sie auf das Tablett, das er aus der Küche heraufgetragen hatte. Er stand auf, ging barfuß zum Tisch neben der Tür und stellte das Tablett dort ab. Dann drehte er sich zu ihr um. Der Blick, mit dem er sie maß, ließ ihr Herz schneller schlagen. Er näherte sich wieder dem Bett; sie fühlte sich unwillkürlich an die Beschreibung eines jagenden Tigers auf Beutezug erinnert, die sie einmal gelesen hatte. Er nahm ihr die Champagnerflöte aus der Hand.
»Wir werden unser neues Heim gemeinsam aussuchen.« Seine Lippen streiften ihre Fingerknöchel, als er ihre Hand hob, um sie zu küssen. »Damit werden wir unser neues Leben besiegeln.«
»Unser neues Leben. Das klingt schön.« Sie lehnte sich in die Kissen. Mit einem leisen Lächeln lud sie ihn ein, sich zu ihr zu gesellen. Ein sinnliches Lächeln, das ihr nur zögernd über die Lippen kam. Sie war darin noch ungeübt.
Aber sie lernte unter seiner Anleitung schnell.
Ihr Lächeln entging ihm nicht. »Das finde ich auch«, murmelte er, ehe seine Lippen sich auf ihre legten.
23
Die Botschaft war knapp, und der Verfasser kam sogleich zur Sache. Nie hatten so wenige Worte sie mehr bewegt. Es war nicht nur ein Zeichen für seine Rücksichtnahme, sondern bewies ihr auch, dass er ihr vertraute. Nur eine Uhrzeit und eine Adresse waren auf dem Papierbogen vermerkt. Dennoch war Sophia beeindruckt. St. James glaubte, sie werde ihn und Amelia nicht verraten, und zugleich besaß er anscheinend das richtige Gespür und wusste, dass sie an der Hochzeit ihrer Nichte gerne teilnehmen wollte.
Es zahlte sich wohl aus, einen Kirchenmann in der Familie zu haben, mutmaßte sie, als sie aus der Kutsche stieg. Wie sonst hätte er so rasch eine riesige Kathedrale für eine kleine Vermählung bekommen können. Es musste ihn auch ein kleines Vermögen gekostet haben, eine Sondergenehmigung für die Hochzeit mit der Tochter eines Earls zu bekommen, obwohl der Vater ihm sein Einverständnis verweigert
hatte.
Die Zeremonie war kurz und bewegend. Amelia war einfach strahlend schön. Sie trug das rosenfarbene
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