Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition)
entkommen.
»Wenigstens war er einfallsreich«, murmelte er. Sein Glas war inzwischen leer. »Aber ich kann nicht glauben, dass du einverstanden warst, durch so einen Gang zu fliehen. Es gibt schließlich nichts, was dir mehr Schrecken einjagt.«
»Welche Alternative blieb mir denn? Keine.« Sie fühlte sich jetzt besser, nachdem sie ihm ihr Geheimnis anvertraut hatte. »Ich wollte nicht schon wieder diejenige sein, die durch einen weiteren Skandal Schande über unsere Familie bringt.«
Er wedelte ungeduldig mit der Hand. »Das stimmt so ja gar nicht. Du hast einen Fehler begangen, weil du Sebring falsch einschätztest. Das ist nicht mit einer Schande gleichzusetzen. Ich habe mir gestern Abend nur um deinetwillen Sorgen gemacht – nicht etwa, weil ich um den Ruf der Familie fürchtete. Und mit dieser Ansicht stehe ich nicht allein, denn alle von uns denken so.«
James kannte nicht die volle Wahrheit, was damals geschehen war, und sie verspürte auch keine Lust, ihm jetzt die Details zu erklären. Sie freute sich bloß über seine Loyalität. »Du wirst bestimmt Lord Damien irgendwann über den Weg laufen. Kannst du ihm diskret für seine Hilfe danken?«, sagte sie leise. »Ich muss zugeben, dass ich das vergessen habe, weil ich so rasch wie möglich in den Ballsaal zurückkehren wollte. Er war sehr höflich, und da sollte man ihm angemessen danken.«
Sobald das erledigt und ihr Versäumnis nachgeholt war, würde sie bestimmt aufhören, unablässig an Damien Northfield zu denken. Oder nicht?
»Ich werde es ihm bei nächster Gelegenheit ausrichten«, sagte James ruhig, doch sein Blick ruhte weiterhin forschend auf ihr.
Damien war zwar aus dem Krieg heimgekehrt, aber er war nicht zu Hause angekommen.
Es fiel ihm schwer, sich wieder in das gesellschaftliche Leben einzufügen, und er weigerte sich, im herzoglichen Stadthaus in Mayfair zu wohnen. Nach all den Jahren, in denen er ganz auf sich gestellt die Franzosen ausspioniert hatte, entweder hinter den feindlichen Linien auf dem Kriegsschauplatz oder Hunderte Meilen tief in besetzten Gebieten, fand er es ziemlich schwierig, auf einmal wieder viele Menschen um sich zu haben.
In der großen Residenz des Duke of Rolthven gab es nicht nur jede Menge Diener, die einem auf Schritt und Tritt folgten, auch sein jüngerer Bruder Robert lebte dort mit seiner hübschen Frau Rebecca und den beiden Zwillingstöchtern, die das Haus mit Fröhlichkeit und Lachen erfüllten. Eigentlich etwas sehr Schönes, doch für einen Einzelgänger wie ihn nach Jahren der Einsamkeit eher verstörend.
Damien Northfield wusste, dass er seine frühere Existenz würde abhaken müssen, wenn er sich wieder in ein normales Leben einfügen wollte. Nur fragte er sich manchmal, ob er sich das überhaupt wünschte.
»Ihr habt Euch Zeit gelassen, Mylord.«
Obwohl er überrascht war, erkannte er die Stimme auf Anhieb. »Bitte vielmals um Entschuldigung«, sagte er gelassen und grinste. »Ich wusste nicht, dass du heute Abend kommst. Du hast schnell gearbeitet.«
»Da habt Ihr verdammt recht, aber dafür bezahlt Ihr mich schließlich.« Die vertraute Silhouette von Alfred Sharpe löste sich aus den Schatten. Er war ein alter Freund und Weg gefährte aus Kriegstagen. »Es ist übrigens verflucht simpel, in dieses Haus einzubrechen mit den ganzen Fenstern und so.«
»Tja, Häuser in London haben nun mal viele Fenster«, murmelte Damien. Er hatte selbst schon über bessere Sicherungsmaßnahmen nachgedacht, doch gab es eigentlich keinen Grund mehr, auf der Hut zu sein. Diese übertriebene Vorsicht war ihm bloß in Fleisch und Blut übergegangen. »Ich bewahre hier keine großen Reichtümer auf, und wenn jemand zu allem entschlossen ist, kann man sowieso wenig dagegen ausrichten. Hoffen wir bloß, dass niemand auf die Idee kommt, den Whisky zu stehlen. Möchtest du ein Glas?«
»Riecht man das etwa?«
»Mir kommt’s ganz so vor.« Damien wies einladend auf den Korridor zu seinen Räumen und unterdrückte ein Lachen. »Mein Arbeitszimmer mit dem Whisky befindet sich hinten rechts, die dritte Tür.«
»Das weiß ich«, erklärte Alfred. »Ich hab den Whisky schon probiert. Verdammt feines Zeug.«
Er hatte genau diese Antwort erwartet, weshalb sie ihn eher amüsierte als verärgerte. Überdies bereitete es ihm kein Kopfzerbrechen, wenn jemand in seinem Arbeitszimmer herumschnüffelte, denn an einem so offensichtlichen Ort würde er niemals wichtige Dokumente aufbewahren. Und Alfred stand sowieso immer
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