Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition)
bin mir der Tatsache bewusst, dass ich nicht anständig um dich geworben habe, abgesehen von einem einzigen Veilchenstrauß. Aber für den Fall, dass es dir bisher entgangen sein sollte – für uns hält das Leben offenbar immer Ungewöhnliches bereit. Es gab weder offizielle Besuche noch höfliche Tänze, dafür aber eine gemeinsame Flucht durch einen Geheimgang, ferner eine nächtliche Entführung und einen erpressten Liebhaber. Wenn das nicht verbindet …«
Lily berührte seinen Hals. Die Muskelstränge, die sich deutlich unter der Haut abzeichneten, verrieten ihr seine Anspannung. »Das meiste habe ich sehr viel mehr genossen als irgendwelche Förmlichkeiten, Mylord.«
»Siehst du? Für mich bist du die perfekte Frau.«
Bin ich das?
Sie wollte, dass er sie erneut küsste, und spürte, wie eine unbekannte Hitze sie durchlief, die mit der Temperatur im Raum nichts zu tun hatte. Sogar in dem dünnen Nachthemd war ihr zu warm, und als er sich aufrichtete und sein Hemd aufzuknöpfen begann, beobachtete sie ihn mit offener Neugier.
Sie – die angeblich Gefallene – sollte das hier eigentlich bereits kennen. Die flinken Hände eines Mannes, der eilig Kleidungsstücke öffnete, die Art, wie er sie aus halb geschlossenen Augen musterte … Doch das alles war neu für sie, nie hatte sie etwas Derartiges getan. Mittlerweile zweiundzwanzig Jahre, wurde sie es langsam leid, darüber nachzudenken, ob Sir George wirklich ihre einzige Option für die Zukunft war.
Sie mochte sich einfach nicht damit abfinden, dass sie die körperliche Liebe nur mit einem zweimal verwitweten, deutlich älteren Mann erleben sollte oder vielmehr über sich ergehen lassen müsste, während sich andere angeblich so feine Damen in Affären stürzten und sich Liebhaber nahmen und trotzdem hinter vorgehaltener Hand über sie lästerten.
Sie war nicht mehr die kleine unschuldige Lily mit den großen Augen, die nicht schlau genug gewesen war, einen Skandal zu verhindern.
An diesem Abend würde sie eine Entscheidung treffen. Was hatte er gesagt von wegen perfekter Frau? » Niemand ist perfekt. Schon gar nicht ich.«
Er hatte dieses ganz besondere Lächeln, das eigentlich keines war, weil sich seine Mundwinkel nur leicht verzogen. Es erinnerte sie irgendwie an die Sonne, die morgens zunächst nur einen zarten Lichtstreif aussandte und dann immer breiter und heller wurde.
»Was kann ein Spion im Ruhestand schon von einer Frau anderes erwarten als Risikobereitschaft und Gewitztheit? Du treibst dich in Bibliotheken herum und machst keinen Aufstand, wenn ich dich mitten in der Nacht entführe … Warum solltest du da nicht perfekt sein?«
Sie gab ihm keine Antwort, weil in diesem Moment sein Hemd zu Boden fiel. Keine Kerze erhellte den Raum, nur die Sterne und der Vollmond, die durchs Fenster schienen, spendeten Licht, und ihr Blick war auf seinen halb nackten Körper gerichtet, der in dem dämmrigen Zimmer wie eine Marmorstatue aussah. Ihr Herz pochte bis zum Hals. Die leise Stimme in ihrem Innern, die ihr Einhalt gebieten wollte, verhallte ungehört.
»Willst du, dass ich dich nach Hause bringe?«, fragte er, als wüsste er um ihre letzten Bedenken, setzte sich jedoch gleichzeitig hin und zog an einem Stiefel. »Noch ist es nicht zu spät.«
Es war schon viel zu spät, und sie hatte den Eindruck, dass auch er sich dessen bewusst war. »Nein.«
Der zweite Stiefel flog hinter dem ersten her. »Ich habe gehofft, dass du das sagst. Wir können über die Zukunft reden, wenn ich dich morgen besuche. Doch jetzt möchte ich mich zu dir legen.«
Als er genau das tat, atmete sie scharf ein. »Ich hoffe, ich darf nervös sein.«
Damien küsste sie erst leicht, dann intensiver, unnachgiebig und drängend. Seine Zunge streichelte ihre, ehe er den Kopf hob. »Ich will, dass du es bequem hast«, sagte er und schloss sie sanft in seine Arme, um sich ihr mit seinem ganzen Körper und mit allen Sinnen zu widmen. Seine Lippen auf ihren. Sein Atem, der über sie hinwegstrich, und der innige Blick seiner Augen. Seine Finger auf ihrer Haut. Der Geschmack nach Brandy und warmer Männlichkeit …
»Ich will dich berühren.« Er bat sie um Erlaubnis, aber zugleich zogen seine Finger bereits an der Schleife, die ihr Nachthemd am Halsausschnitt verschloss. »Ich habe noch nie mit einer Jungfrau geschlafen … Wenn du dich unwohl fühlst, sag mir das bitte sofort.«
»Alles gibt mir in gewisser Weise ein Gefühl von Unwohlsein«, gab sie zurück. Sie beobachtete,
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