Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition)
kein Mann, der freiwillig Selbstmord begeht. Ich glaube einfach, dass unser Erpresser seine Opfer in dem Moment umbringt, wenn sie sich weigern zu zahlen. Gorsham hat ihm vermutlich sogar ins Gesicht gelacht.«
Sir Charles nickte anerkennend. »Das nenne ich eine interessante Theorie.«
»Ich kann Euch noch mehr Beispiele nennen. Im letzten Jahr kamen recht viele Mitglieder der ersten Kreise durch Unfälle oder unter ungeklärten Umständen ums Leben. Bei allen hatte Kinkannon seine Finger im Spiel, ich habe es selbst gehört. Nur ist er nicht der Dirigent, der Maestro, wenn Ihr mir diese armselige Analogie zur Musik gestattet. Oder um einen Vergleich mit dem Theater zu bemühen: Ich kenne den Unterschied zwischen der Puppe und dem Puppenspieler.«
»Den kennt Ihr tatsächlich.«
Damien lächelte nur.
»Ich verstehe.« Peyton, wie üblich gekleidet in tristes Braun, ein Tuch nachlässig um den Hals gebunden, nahm einen Schluck von dem Ale und runzelte die Stirn.
»Ihr wisst bereits von den Spielschulden Eures Neffen«, fragte Damien und musterte sein Gegenüber. »Er hat anscheinend kein Geld, um sie zurückzuzahlen, steckt also richtig tief in der Patsche. Mir wär’s natürlich lieber gewesen, Ihr hättet mir von vornherein mitgeteilt, dass Ihr ein persönliches Interesse an der Sache habt.«
Peyton lächelte dünn und wedelte eine Tabakwolke weg, die zu ihnen herüberwaberte. »Ich wusste ja, dass Ihr diese Verbindung bald aufdeckt.« Seine Augen verrieten nicht, was er dachte. »Er hat mich vor drei Tagen endlich um ein Darlehen gebeten. Bleich und schwitzend, fast unter Tränen. Allerdings unter einem Vorwand, ohne die Wahrheit einzugestehen. Nun, ich wusste ja Bescheid. Dass er spielt, war für mich nie ein Geheimnis. Wie Ihr wisst, habe ich meine Quellen überall. Aber sein Verhalten machte mir Sorge, er wirkte so signifikant verändert. Als habe er höllische Angst. Also, ich vertraue Euch – und der Premierminister desgleichen. Er setzt große Hoffnungen in Euch bei diesem Fall, wie ich bei unserem ersten Treffen bereits erwähnte.«
»Ich fühle mich geschmeichelt«, erwiderte Damien trocken.
Peyton überging ganz bewusst diese Bemerkung. »Es stimmt, wir haben es nicht mit einem politischen Problem zu tun, doch es betrifft immerhin die angesehensten Familien des Landes. Erpressung? Mord sogar? Ich will, dass das aufhört. Völlig diskret natürlich, ohne dass jemand es mitbekommt. Leider dürfte es nicht reichen, Kinkannon festzunehmen. Wir brauchen den Drahtzieher. Außerdem würde kaum eines seiner Opfer vor dem Friedensrichter erscheinen, um gegen ihn auszusagen. Sie haben alle kein Interesse daran, dass ihre kleinen oder größeren Verfehlungen an die Öffentlichkeit gezerrt werden. Deshalb sind sie ja auch bereit zu zahlen …«
»Ich kann Kinkannon zum Reden bringen«, schlug Damien vor. Nicht all seine Fähigkeiten, die er während des Krieges erworben hatte, ließen sich im bürgerlichen Leben noch verwenden, aber dieses Verhör stellte vielleicht eine Ausnahme dar.
Sir Charles verstand, und seine blassblauen Augen nahmen einen merkwürdigen Glanz an. »Daran hege ich keinen Zweifel.«
»Was genau hat Euer Neffe gesagt, als er Euch um Geld bat?« Damien trank einen Schluck Ale – so langsam gewöhnte er sich an das Zeug – und blickte den Chef aller Agenten Seiner Majestät fragend an.
»Nur dass er dringend Geld benötigt. Es war eine ziemlich große Summe. Wenn ich nicht von dem Erpresser gewusst hätte, würde ich Zocken mit Karten und Würfeln vermutet haben. Aber so war mir klar, dass man ihm nicht nur öffentliche Bloßstellung androht, sondern dass er sich ernstlich in Gefahr befindet.«
Damien war zum selben Schluss gekommen. »Zweifellos hat unser Erpresser ihm erklärt, er könnte sonst plötzlich einen unglücklichen Unfall erleiden.«
»Er ist das einzige Kind meiner Schwester, die mir nie verzeihen würde, falls ihm etwas passiert. Dieser verdammte Narr! Übrigens habe ich ihm kein Geld gegeben, ihn stattdessen in Sicherheit gebracht. Ich besitze in Schottland eine Jagdhütte, wo er sich den Arsch abfrieren und über seine verhängnisvollen Leidenschaften nachdenken kann, die ihn in diese Bredouille gebracht haben. Sobald Ihr die Angelegenheit bereinigt habt, lass ich ihn zurück nach London kommen und kümmere mich um die Begleichung seiner finanziellen Verpflichtungen.«
»Ich weiß von einem anderen Opfer – es handelt sich um einen Studienfreund. Durch ihn bin
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