Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition)
Tasse goss. Dann überlegte sie kurz und schüttete nach. Als er die zerbrechliche Porzellantasse nebst Untertasse von ihr entgegennahm, sagte er: »Darf ich zu dem Schluss kommen, dass Ihr glaubt, ich bräuchte eine zusätzliche Stärkung, Lady Altea?«
Madeline Daudet trank einen winzigen Schluck von ihrem Tee, ehe sie antwortete und ihn dabei prüfend anschaute. »Wenn Ihr wegen Regina hier seid, und ich vermute, dass das der Fall ist, solltet Ihr die Flasche noch ein bisschen näher zur Tasse schieben.«
Da James keine Ahnung hatte, was genau – wenn überhaupt – Regina ihrer Familie über ihre Beziehung erzählt hatte, wusste er nicht recht, was er darauf antworten sollte. Schließlich entschied er sich für die Wahrheit. »Ich bin hier, weil ich sie liebe.«
»Und weil Regina ist, wie sie ist, widerstrebt ihr der Gedanke. Nicht zwingend Euretwegen, sondern allein, um niemanden in ihr Leben zu lassen.«
»Sehr scharfsinnig. Ihr kennt sie gut, nehme ich an«, bemerkte er trocken.
»Ich weiß nicht, ob ich das behaupten kann. Aber Luke kennt sie sehr gut. Sie stehen sich sehr nahe.« Lady Altea schaute an ihm vorbei zu einem Vögelchen, das über die Steinplatten hüpfte. Sie lächelte mitfühlend. »Ein Wort vorab zur Warnung: Er wird Regina bei allem unterstützen, egal welche Entscheidung sie trifft. In seinen Augen ist ein Skandal nebensächlich verglichen mit der tiefen Zuneigung, die die beiden verbindet.«
Es war ja nicht so, als habe James nicht schon früher diesen Eindruck gewonnen. Regina konnte ihr ganzes Leben lang tun und lassen, was sie wollte. Und zwar ohne dass es ihre Stellung in der Familie gefährdete. Man nahm sie einfach so, wie sie war. »Es liegt mir fern, sie zu irgendetwas zu zwingen. Das ist also nicht das Problem, keine Sorge. Ich suche eher Rat und Verständnis, denn ich möchte sie vor allem glücklich machen.«
»Da darf sie sich wirklich glücklich schätzen.« Seine Gastgeberin musterte ihn. Die schlanken Finger umschlossen den Henkel ihrer Tasse. »Darf ich fragen, was Euch genau hergeführt hat?«
War das eine vorsichtige Anspielung auf das Kind? Er wusste es nicht. Sie konnten also weiter um das Thema herumtänzeln, oder er rückte freimütig damit heraus, was Sache war. Er räusperte sich und wollte gerade ansetzen, als jemand sie unterbrach. »Guten Tag, Bourne. Ich muss mich für meine Verspätung entschuldigen. Eine geschäftliche Angelegenheit, die ich nicht aufschieben konnte. Ich bin sicher, das versteht Ihr, nachdem Ihr für Euren Cousin lange die Geschäfte geführt habt. Wie ich sehe, spielt Madeline mit der ihr eigenen Begabung die perfekte Gastgeberin. Ich danke dir, meine Liebe.«
Luke Daudet war ein hochgewachsener Mann, etwa so groß wie er selbst. Als er ihn anschaute, glaubte er in Reginas Augen zu sehen, in dieses auffällige, außergewöhnliche Kristallgrau. James stand rasch auf, als Madeline sich zum Gehen anschickte. »Ich glaube, da habe ich einen dezenten Hinweis bekommen, mich zurückzuziehen. Trotzdem verzeihe ich dir, Liebling, es ist ohnehin höchste Zeit für mein nachmittägliches Schläfchen.«
»Ich würde es niemals wagen, dich einfach fortzuschicken. Das weißt du, Liebes.« Lord Altea lächelte seine entzückende Frau liebevoll an. »Dennoch«, sagte er und zog theatralisch die Taschenuhr aus der Westentasche, »es dürfte mehr als vier Stunden her sein, dass du zuletzt geruht hast. Du musst erschöpft sein.«
Sie zog die Brauen zusammen. »Ich bin sicher: Falls du dieses Kind austragen könntest, würde ich dafür sorgen, dass du es auch tätest.«
Nachdem sie mit raschelnden Röcken im Innern des Hauses verschwunden war, setzte Reginas Bruder sich. Er ignorierte den Tee vollkommen und schenkte sich gleich Whisky ein. Dann bemerkte er trocken: »Wenn das möglich wäre, würde sie es wirklich tun.«
James blickte ihm in die Augen. »Und würdet Ihr das für sie tun, wenn Ihr könntet?«
Luke lehnte sich entspannt zurück und hob erstaunt die Brauen. »Das Bild, das ich gerade vor meinem inneren Auge sehe, mag ein wenig befremdlich sein – aber ja, natürlich. Die Geburt eines Kindes ist schließlich nie ohne Gefahren.«
»Regina hat erwähnt, dass Eure Frau guter Hoffnung ist.«
»Und da meine Schwester nicht flüchtige Bekannte mit so persönlichen Details aus unserer Familie versorgt, nehme ich an, dass Ihr alles andere als ein flüchtiger Bekannter seid.«
»Das hoffe ich jedenfalls sehr.«
Männer pflegten nicht lange
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