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Eine skandalöse Lady

Eine skandalöse Lady

Titel: Eine skandalöse Lady
Autoren: Teresa Medeiros
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landete.
    »Warum, im Himmel, schreist du jetzt schon wieder so?«, wollte Ellie von ihrem Bruder wissen und versetzte ihm einen Stoß gegen die Schulter. »Irgendwann einmal wirst du in Flammen stehen, und niemand wird kommen, das Feuer zu löschen, weil du immer wegen nichts und wieder nichts so ein Theater machst.«
    Ehe Nicky antworten konnte, entdeckte Ellie die Besucher. Allegra starrte sie mit offenem Mund an, die Augen weit aufgerissen vor Staunen, dass sie sich einem exakten, lebendigen Ebenbild der Puppe in ihren Armen gegenüberfand.
    Mit einem finsteren Blick auf Lotties alte Puppe stemmte sich Ellie die Hände in die Hüften, warf ihre Lockenmähne in den Nacken und reckte ihre Stupsnase, so hoch sie konnte. »Wo hast du die her? Tante Lottie hat
mich
nie mit ihr spielen lassen.«
    Zu Lotties Verwunderung lief Allegra, statt mit einer entsprechend unhöflichen Bemerkung zurückzuschlagen, zur Kutsche zurück und holte die Puppe, die ihr Vater ihr geschenkt hatte. »Hier«, sagte sie und drückte die Schönheit mit dem rabenschwarzen Haar Ellie in die Arme. »Du kannst mit der hier spielen, wenn du magst.«
    Ellie musterte die Puppe, warf dann einen verstohlenen Blick auf Allegras Gesicht, von der Ähnlichkeit sichtlich überrascht. Obwohl sie etwa ein Jahr jünger als Allegra war, seufzte sie schließlich und erklärte: »Nun, ich bin eigentlich zu alt, um mit Puppen zu spielen, aber wenn du darauf bestehst, dann wird es schon nichts schaden. Würdest du gerne meine Kätzchen sehen? Ich habe ein Dutzend in meinem Schlafzimmer. Sie mögen nur mich, aber vielleicht lassen sie sich von dir streicheln, wenn ich ihnen sage, dass es in Ordnung ist.«
    »Ich habe auch Kätzchen«, sagte Allegra und lief zur Kutsche zurück, um einen geflochtenen Korb zu holen. Sie öffnete den Deckel, und vier Katzen lugten über den Rand. Als Lottie erkannte, dass es sich um die Kätzchen handelte, die sie Hayden geschenkt hatte, begriff sie, dass Allegra nicht übertrieben hatte. Ihr Vater war wirklich und wahrhaft allein.
    Während die Mädchen Hand in Hand fortgingen, stand Nicholas verloren auf dem gepflasterten Hof. Er rümpfte seine sommersprossige Nase und sagte verächtlich: »Mädchen!«
    Lottie zauste ihm das Haar. »Sie sind nicht annähernd so nett wie Käfer, nicht wahr? Während die beiden mit ihren Puppen und den Katzen spielen, könntest du Miss Terwilliger ins Haus geleiten und deine Mutter bitten, zwei Gästezimmer zurechtmachen zu lassen?«
    Widerwillig gehorchte Nicky. Als er und die alte Gouvernante im Haus verschwunden waren, faltete Lottie den Brief noch einmal auf und strich mit dem Finger zärtlich über Haydens Worte. »Ich werde auf sie aufpassen«, flüsterte sie. »Und auf dich auch, warte nur ab. Du wirst es schon noch sehen.«
    Sie faltete das Blatt Papier wieder zusammen und steckte es in die Tasche ihres Rockes, dann eilte sie die Eingangsstufen hinauf und hatte es noch eiliger als sonst, zu ihrer Arbeit zurückzukehren.
    Ein kühler Herbstwind wehte durch die Dachgaubenfenster des Arbeitszimmers im vierten Stock und mischte sich mit dem scharfen Rußgeruch aus den nahen Schornsteinen. Lottie hatte ihre Hände über ihrem Retikül verschränkt, damit sie nicht durch fahrige Gesten ihre Nervosität verrieten. Sie konnte kaum glauben, dass sie tatsächlich in den Räumen von Minerva-Press saß.
    Sie hatte oft genug die angeschlossene Leihbücherei und Buchhandlung im ersten Stock besucht, aber es nie zuvor gewagt, in das Innerste des Heiligtums vorzudringen. Hier, an diesem magischen, doch gleichzeitig auch irgendwie schäbigen Ort, wo die Luft mit den berauschenden Gerüchen von Staub, Tinte, Leder und Papier geschwängert war, konnten Träume gedruckt, gebunden und verkauft werden, um endlose Stunden Vergnügen zu bereiten. Vielleicht hatte Mrs. Eliza Parsons höchstpersönlich hier in eben diesem Stuhl gesessen, während sie voller Sorge auf das Urteil des Verlegers über
Die geheimnisvolle Warnung
oder
Burg Wolfenbach
wartete.
    Lottie gegenüber lehnte sich Ned lässig in seinem Stuhl mit der Lederlehne zurück und klopfte mit seinem Gehstock rhythmisch auf die Bodendielen. Als er ihren Blick auffing, hörte er mit dem Klopfen auf. »Es ist nicht zu spät zu gehen. Sind Sie sich ganz sicher, dass Sie das hier tun wollen?«
    Sie nickte. »Ich
muss
es tun.«
    »Sie wissen schon, dass er mich dafür vielleicht erwürgt, weil ich es zugelassen habe? Allerdings nur, wenn Ihr Schwager ihm nicht
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