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Eine skandalöse Lady

Eine skandalöse Lady

Titel: Eine skandalöse Lady
Autoren: Teresa Medeiros
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Mitleid«, flehte der Mann. »Sie haben doch sicher gehört, was Lady Drydens Lakai zugestoßen ist, oder?«
    Die Mädchen schauten sich mit großen Augen an. Ganz London hatte gehört, was Lady Drydens Lakai geschehen war. Er hatte es gewagt, mit leeren Händen zu der gräflichen Kutsche zurückzukehren und verlegen zu erklären, er habe sich das letzte Buch mit dem zweiten Teil von
Die Braut des Todeslords
durch die Finger schlüpfen lassen, sodass es in Lady Featherwicks gierige Hände gefallen war. Manche behaupteten, der empörte Schrei der Countess sei bis nach Aldgate zu hören gewesen. Sie hatte dem armen Kerl ihren Schirm auf den Kopf geschlagen, dann die Nase gereckt und ihrem Kutscher aufgetragen, ohne ihn loszufahren. Der Lakai war hinter der Kutsche hergelaufen und hatte die Countess angefleht, ihm zu verzeihen, ehe er schließlich erschöpft zusammenbrach und mit dem Gesicht voran in einen Haufen Pferdeäpfel fiel. Den Gerüchten nach suchte er nun nach Arbeit in den Docks.
    »Es tut mir schrecklich Leid, Sir, aber ich kann Ihnen nicht helfen.« Das Buch an ihre Brust drückend, ging Caro um ihn herum zu Elizabeth. »Ich habe seit dem Morgengrauen angestanden und meiner Mutter versprochen, das Buch geradewegs nach Hause zu bringen. Sie will es heute nach dem Abendessen der ganzen Familie vorlesen. Wir sterben alle vor Neugier zu erfahren, was geschieht, nachdem der ehrenhafte Herzog erkannt hat, dass seine junge Braut sein Vertrauen missbraucht hat.«
    Elizabeth verdrehte die Augen. »Ich kann nicht glauben, als was für ein Dummerchen sie sich herausgestellt hat.« Das Mädchen schlug die Hände zusammen, und ein verträumter Ausdruck legte sich über seine Züge. »Himmel, ich habe von Anfang an gewusst, dass ein so freundlicher, netter, großmütiger und
unglaublich
gut aussehender Mann eine Frau nie verletzen würde, besonders nicht seine Ehefrau.«
    Der Lakai folgte Caro, und seine Miene wurde drohender. Er streckte seine Hand in dem weißen Handschuh auffordernd aus. »Komm schon, Mädchen. Es wird dich nicht umbringen, es mir zu geben. Fünf Pfund müssen für ein einfaches Ding wie dich doch ein Vermögen sein.«
    »Lauf, Caro, lauf!«, schrie Elizabeth, fasste ihre Freundin an der Hand und zog sie mit sich.
    Als die beiden Mädchen mit wehenden Umhängen wegrannten, riss sich der Lakai den Hut vom Kopf und rief: »Sieben Pfund! Ich gebe dir sieben Pfund!«
    Vor Buchhandlungen und Leihbibliotheken in ganz London spielten sich solche und ähnliche Szenen ab. Die Autorin hatte darauf bestanden, dass eine gekürzte Version ihres Romans als Fortsetzungsgeschichte in den Wochenzeitschriften erschien, für den Teil der Leserschaft gedacht, der sich keine gebundenen Bücher leisten konnte. Sobald die neueste Ausgabe erschien, stürmten Menschenmassen zu den Straßenverkäufern und rissen ihnen praktisch die Ware aus den Händen, bis das dünne Papier völlig zerfleddert war. Unten in den Docks, wo die Groschenheftchen verkauft wurden, vergossen die, die nicht lesen konnten, Tränen der Rührung über grobe Zeichnungen einer jungen Frau adeliger Herkunft, die auf den Knien die Verzeihung ihres Gatten erflehte, während er mit traurig abgewandtem Gesicht auf die Tür deutete.
    Die kaum verhüllten Charaktere des Romans bereiteten der Gesellschaft endlose Stunden entzückter Spekulation. Man konnte kaum fassen, dass eine der Ihren so tief gesunken war, eine so aufregende, rührende Geschichte aufzuschreiben. Es war der größte literarische Skandal Londons, seit vor über einem Jahrzehnt der verheiratete Percy Bysshe Shelley mit der sechzehnjährigen Mary Godwin nach Frankreich durchgebrannt war.
    Als bekannt wurde, dass der Duke von Devonbrooke und Minerva-Press gemeinsam einen Ball in Devonbrooke House zu Ehren der Autorin abhalten würden, schwärmten alle aus, um durch Bitten, Betteln, Flehen oder Stehlen eine der begehrten Einladungen zu ergattern. Die Familien, die sich bereits für den Winter auf ihre Landsitze zurückgezogen hatten, trugen den Kutschern auf, wieder anzuspannen, und kehrten in die Stadt zurück. Keiner von ihnen war willens, das gesellschaftliche Ereignis des Jahres zu verpassen oder sich die Gelegenheit entgehen zu lassen, die berüchtigte Frau des Todeslords persönlich zu Gesicht zu bekommen.
    Als Lottie sich den Marmorstufen näherte, die von der Empore in den geräumigen Ballsaal von Devonbrooke House führten, war sie eher beunruhigt als dass sie sich berüchtigt vorkam.
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