Eine skandalöse Lady
aufgesetzt Lotties Fröhlichkeit war.
Den
Chronicle
zur Seite legend, nahm sie sich das letzte der französischen Törtchen von dem Tablett auf Harriets Schoß. »Ich muss zugeben, dass es ziemlich beunruhigend ist, über mich selbst als tragische Heldin meiner eigenen Geschichte zu lesen.« Sie leckte sich einen Honigtropfen von der Oberlippe. »Vielleicht sollte ich meine bevorstehende Heirat als Recherche für meinen ersten Roman betrachten. Eine Chance, in die Schatten des Herzens des Marquis hinabzusteigen und das Geheimnis um den Tod seiner ersten Frau zu lüften.«
»Das ist alles gut und schön«, erwiderte Harriet düster, »aber wer soll dann das Geheimnis um den Tod seiner zweiten Frau lüften?«
Ihrer Freundin einen tadelnden Blick zuwerfend, bemächtigte sich Lottie der Nachmittagsausgabe des
Whisperers.
»Das ist unerhört. Dieser Artikel beschreibt unsere verzweifelte geheime Liebe füreinander und zeichnet Sterling als herzlosen Bösewicht, der zwischen uns und dem Glück steht.«
»Wie schrecklich romantisch!«, rief Harriet und drückte sich eine Hand aufs Herz.
»Wie bodenlos lächerlich.« Lottie legte das Pamphlet zusammen und ignorierte einen merkwürdigen Stich der Wehmut. »Ich kann dir versichern, der Marquis hegt keinen Funken Liebe für mich, geheim oder sonst irgendwie. Allerdings muss ich zugeben, dass Sterling gestern Nacht ziemlich schurkisch aussah, als er anfing, mit dieser Pistole herumzufuchteln.« Sie überflog einen besonders aufgebauschten Bericht über die Ereignisse der vergangenen Nacht in einem der billigeren Blätter, die an den Docks verkauft wurden. »Gütiger Himmel!«, entfuhr es ihr, und sie spürte, wie ihr die Kehle vor Nervosität trocken wurde. »Dieser Darstellung zufolge könnte man meinen, wir wären in flagrante delicto erwischt worden.«
»Wo? Ich dachte, es wäre in Mayfair gewesen«, fragte Harriet, die in der Schule das Fach Latein immer am meisten verabscheut hatte, gefolgt von Geographie und Belehrungen über damenhaftes Auftreten.
Seufzend beugte sich Lottie vor und flüsterte ihrer Freundin die Übersetzung ins Ohr.
»Oh, Himmel!«, hauchte Harriet und errötete bis zu den Wurzeln ihrer braunen Haare. »Sicher nimmt doch niemand an, dass du etwas so Schreckliches tust. Mit
ihm.«
Ehe Lottie das näher ausführen konnte, ertönte ein leises Klopfen an der Tür. Sie ließ sich in den Kissenberg zurücksinken und hoffte auf mehr französische Törtchen. Aber es waren ihre Schwester Laura und ihre Tante Diana, die mit einem Paar Lakaien im Gefolge eintraten. Lauras Augen waren vom Weinen gerötet, während Dianas von dunklen Schatten unterlegt waren.
Obwohl Sterlings Cousine nicht wirklich Lotties Tante war, machten ihre unkomplizierte Liebenswürdigkeit und ihr gesunder Menschenverstand sie wie geschaffen für diesen Titel. Trotz der Strenge ihres waldgrünen Kleides und ihres festen Haarknotens war der Kuss, den sie Lottie auf die Stirn gab, so liebevoll wie der einer Mutter. »Hallo, Kleines. Wenn deine liebe Miss Dumwinkle uns entschuldigen will, müssen deine Schwester und ich kurz mit dir reden.«
»Kann Harriet nicht dableiben?«, erkundigte sich Lottie, die eben erst zu begreifen begann, wie verloren sie sich bald schon fühlen würde, wenn ihre ergebene Freundin nicht mehr ständig bei ihr sein würde. Hayden hatte darauf bestanden, dass sie unverzüglich nach der Hochzeit morgen Vormittag zu seinem Landsitz in Cornwall aufbrachen.
»Uns wäre es anders lieber«, antwortete Laura und tauschte einen Blick mit Diana.
Lottie wartete neugierig schweigend, bis die beiden Lakaien Harriet aus dem Raum befördert hatten. Nachdem sie die Tür sorgfältig geschlossen hatte, ließ sich Laura neben ihr auf der einen Seite ihres Bettes nieder, Diana auf der anderen.
Diana fasste Lottie an der Hand, stärkte sich mit einem tiefen Atemzug und erklärte: »Deine Schwester und ich haben beide das Gefühl, wir würden etwas Wichtiges versäumen, wenn wir nicht versuchen würden, dich auf die nächsten Tage vorzubereiten …«
»Und Nächte«, fügte Laura heftig errötend hinzu.
»Und die Nächte«, pflichtete Diana ihr bei, »die kommen werden.«
Lottie ließ ihren Blick besorgt zwischen den beiden hin und her wandern. Vielleicht war es noch nicht zu spät, unter die Kissen zu kriechen und so zu tun, als schliefe sie.
Diana drückte ihre Finger so kräftig, dass einer von Lotties Knöcheln knackte. »Wie du sicher weißt, ist die vornehmste und
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