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Eine skandalöse Lady

Eine skandalöse Lady

Titel: Eine skandalöse Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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Cornwall ankommen. Sie konnte ihre Familie schon über der hastig gekritzelten Nachricht weinen sehen, die sie von ihrem tragischen Ableben unterrichtete, weil sich die Schleppe ihres Kleides in den Speichen der Kutschenräder verfangen hatte.
    Eine einsame Violine schluchzte eine Melodie, das Zeichen für Lottie, den Arm ihres Vormunds zu nehmen und sich von ihm an die Seite ihres Bräutigams geleiten zu lassen. Sie holte tief Luft. Wenn sie schon zum Galgen gehen musste, dann war nun die Zeit gekommen, sich ihren Scharfrichter anzuschauen.
    Ganz in Schwarz – bis auf das strahlende Weiß seines Hemdes, seiner Manschetten, seines Kragens und Halstuches – wirkte Hayden St. Clair irgendwie noch größer und beeindruckender, als sie sich erinnerte. Erfreut bemerkte sie, dass er einen Versuch unternommen hatte, wie vergeblich der auch gewesen war, sein ungebärdiges Haar zu bändigen. Ohne den Bartschatten auf Wangen und Kinn schien er eher in George’s Alter zu sein als in Sterlings.
    Während Lottie weiter auf ihn zuschritt, erinnerten sie Tausende kleiner, bislang unbemerkter Einzelheiten daran, dass sie ihn überhaupt nicht kannte: die kaum wahrnehmbare Kerbe in seinem Kinn, die feine weiße Narbe unter seinem linken Ohr, der leichte Schatten auf seiner Oberlippe, den selbst das schärfste Rasiermesser niemals ganz würde entfernen können.
    Als sie ihren Platz an seiner Seite einnahm, wünschte sie sich fast, dass ihre Tante und ihre Schwester ihre Ratschläge für sich behalten hätten. Obwohl ihre nimmermüde Neugier sie dazu getrieben hatte, jedes ihrer Worte in sich aufzusaugen wie ein Schwamm, konnte sie sich kaum vorstellen, je etwas von den schockierenden Dingen, die sie ihr beschrieben hatten, mit diesem Mann zu tun.
    Oder ihm anzutun.
    Sie schlug die Augen nieder und hoffte, er würde ihr Erröten mädchenhafter Scheu zuschreiben.
    Als der Bischof Sterling aufforderte, ihre Hand dem Bräutigam zu übergeben, musste Lottie ihre schmale Hand seinem Besitz ergreifenden Griff mit einem leichten Ruck entziehen.
    Das starre Lächeln war wie festgefroren auf Sterlings Gesicht und veränderte sich nicht, noch nicht einmal, als er sich zu Oakleigh vorbeugte und so leise, dass nur sie drei es hören konnten, knurrte: »Wenn Sie ihren Geist brechen, dann breche ich Ihnen das Genick.«
    Als Lottie und Hayden vor dem Bischof knieten, war die Hand ihres Bräutigams warm und trocken, seine Stimme tief und fest, während er schwor, allen anderen zu entsagen, ihr solange treu zu sein, bis dass der Tod sie scheide. Lottie wiederholte die feierlichen Worte und konnte nicht anders, als sich zu fragen, ob er an die andere Frau denken musste, die denselben Schwur geleistet hatte, nur um ihn zu brechen.
    Der Rest der Zeremonie zog wie in weiter Ferne an ihr vorbei. Ehe Lottie es merkte, schloss der Bischof bereits wieder das Gebetbuch und forderte sie auf, sich zu erheben. Seine Augen hinter dem Drahtgestell seiner Brille funkelten amüsiert, als er ihrem frisch gebackenen Ehemann die Erlaubnis gab, ihr Gelübde mit einem Kuss zu besiegeln.
    Im Schutz der Geste, mit der sie Hayden die Wange zum Kuss bot, flüsterte sie: »Es tut mir so Leid, dass ich Sie in diese Klemme gebracht habe.«
    »Ich bin nur dankbar, dass Sie meine Aufmerksamkeiten erträglicher fanden als die des Königs«, murmelte er als Antwort, und sein Atem strich dabei warm über ihre empfindsame Ohrmuschel. »Wenigstens haben Sie mich nicht gebissen.«
    Lottie wich zurück und starrte ihn verblüfft an, so schockiert, dass sie zu flüstern vergaß. »Wer, um alles auf der Welt, hat Ihnen das erzählt …«
    Ehe sie den Satz beenden konnte, senkten sich die Lippen ihres Mannes auf ihre und brachten sie mit einem Kuss zum Verstummen.

6
    Durfte ich mir auch nur einen schwachen Widerhall von Zärtlichkeit aus solch rücksichtslosen Händen erhoffen?
    Als Hayden endlich das in gespannter Atmosphäre abgehaltene Hochzeitsfrühstück verlassen durfte, das sein neuer Schwager und seine neue Schwägerin ausgerichtet hatten, musste er feststellen, dass seine Kutsche mit Koffern, Kisten und Kasten so schwer beladen war, dass man sie kaum noch unter dem Gepäckberg sehen konnte. Eine wahre Armee aus livrierten Lakaien mühte sich damit ab, die schwere Last mit Seilen festzuzurren und nach übersehenen Lücken und Löchern zu suchen, in die sie noch ein weiteres Gepäckstück zwängen könnten.
    »Gütiger Himmel«, entfuhr es Ned, der die durchhängenden Achsen

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