Eine skandalöse Lady
rufen, dass er das Recht besaß, das zu tun.
Also warum kam er sich dennoch wie ein Wüstling der übelsten Sorte vor?
Trotz Lotties Unerschrockenheit schien alles an ihr viel kleiner als bei ihm. Ihre Verletzlichkeit weckte in ihm Beschützerinstinkte. Er hatte auch versucht, Justine zu schützen, aber versagt.
Mit dem Handrücken streifte er versehentlich die sanfte Wölbung einer ihrer weißen Brüste. Sein Blick wanderte zu ihrem Gesicht. Als er sie von der Enge der Fischbeinstangen befreite, teilten sich ihre Lippen zu einem seligen Seufzen.
Haydens Mund wurde trocken. Er musste daran denken, wie süß eben diese Lippen schmeckten. Wie zart und nachgiebig sie sich unter seinen anfühlten. Er wollte sie wieder kosten, seine Zunge zwischen diese vollen korallenroten Bögen gleiten lassen und einen Schluck ihres Nektars stehlen.
Aber es wäre kein Stehlen, erinnerte er sich grimmig. Er hatte alles Recht, ihre Küsse zu fordern – und noch viel mehr. Dieses Mal würde es keinen wachsamen Vormund geben, der sich in alles einmischte und ihn aufhielte, sollte er sich entschließen, mit der Hand unter die Röcke ihres Reisekleides zu gleiten und den schmalen Schlitz in ihren Seidenunterhosen zu suchen. Kein Skandalblattschreiber, um ihn dafür zu verleumden, wenn er durch den Stoff in ihren zarten Körper vordrang und ihr mit seinen Fingern einen Nektar entlockte, der viel heißer und süßer war als der ihres Mundes, bis ihre atemlosen Seufzer in Stöhnen übergingen und ihre Schenkel sich einladend spreizten. Keine Klatschmäuler, die Gerüchte und Lügen in die Welt setzten, wenn er ihre Röcke nach oben schob und ihren sich vor Lust verzehrenden Körper mit seinem eigenen bedeckte.
Er hätte sie zu seiner Mätresse machen sollen statt zu seiner Ehefrau. Dann hätte nie die Gefahr bestanden, dass sie in seine Vergangenheit vordrang oder gar in sein Herz. Sich selbst als den schlimmsten Narren verfluchend, beugte Hayden sich vor, bis sein Mund Lotties weiche Haut streifte.
Lottie rollte sich auf die Seite und seufzte zufrieden. Vielleicht würde Sterling sie wieder bis nach Mittag schlafen lassen oder wenigstens so lange, bis Cookie mit einem Tablett voll warmer Brötchen und einem Krug heißer Schokolade an ihre Tür klopfte. Sie kuschelte sich tiefer in ihr Kopfkissen und hoffte, zu der verschwommenen Seligkeit ihrer Träume zurückzukehren. Sie erinnerte sich vage an starke Arme, die sie trugen, als wöge sie nicht mehr als eine Feder, an eine breite Brust unter ihrer Wange, warme Lippen, die erst ihre Stirn, dann ihre Lippen mit köstlicher Zärtlichkeit streiften.
Sie schlug die Augen auf. Das milchige Licht des heraufdämmernden Morgens fiel durch die Butzenglasscheiben eines fremden Fensters. Grob behauene Balken zierten die Wände und dienten einer getünchten Decke als Dachsparren. Sie könnte sich in irgendeinem der Gasthöfe zwischen London und Cornwall befinden. Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war, von dem einschläfernden Schaukeln der Kutsche eingenickt zu sein. Den Nebel des Schlafes fortblinzelnd, kämpfte sie darum, Traum von Wirklichkeit zu trennen.
Sie hätte schwören können, dass die starken Arme ihrem Ehemann gehört hatten. Aber Hayden hätte genauso gut dem Kutscher oder einem der Pferdeburschen die lästige Aufgabe übertragen können, sie in ihr Bett zu bringen.
Sie holte tief Luft. Das Aroma von Lorbeer und Sandelholz hing ihrer Haut noch schwach an. Es war sein Geruch, der sie einhüllte, sie bezauberte und sie als die Seine brandmarkte.
Lottie rollte sich langsam auf den Rücken und biss sich auf die Lippe, sodass sie nicht schreien würde, wenn sie einen dunklen Schopf auf dem Kissen neben sich entdeckte.
Das Bett neben ihr war kalt und leer. Sie war allein.
Sie setzte sich auf und vergrub ihr Gesicht in den Händen, hin und her gerissen zwischen Erleichterung und Verlegenheit. Sie hatte ihre eigene Hochzeitsnacht verschlafen und so Lauras und Dianas wunderbare Belehrungen unnötig werden lassen. Für was für ein grässliches Gänschen ihr Ehemann sie halten musste!
Aber halt, was war mit dem Kuss? War das ein Traum oder eine Erinnerung gewesen? Als sie mit den Fingerspitzen ihre Lippen berührte, kam ihr ein noch erschreckenderer Gedanke.
Was, wenn sie mehr als nur die Nacht verschlafen hatte?
Die in ihr bei diesem Gedanken aufwallende Panik bekämpfend, schaute sie sich vorsichtig um. Die zerwühlten Laken verrieten nichts. Sie war immer schon eine ruhelose
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