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Eine skandalöse Lady

Eine skandalöse Lady

Titel: Eine skandalöse Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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schicken? Es sieht so aus, als hätte ich mich auf meines gesetzt und dabei alle Stäbe zerbrochen.
    10. Juni 1825
    Oh, meine liebste Harriet!
    Verzeihe bitte meine krakelige Schrift, aber ich habe mich in die Ungestörtheit einer Besenkammer zurückgezogen, um diesen Brief an dich zu verfassen. (Stell dir deine einst modische, elegante Freundin vor, wie sie auf einem umgestülpten Eimer sitzt, das Schreibpapier auf einem Knie balancierend, während sich ein Moppstiel in eine Stelle ihres Körpers bohrt, die besser ungenannt bleibt.) Warum ich in der Besenkammer bin, fragst du? Sei geduldig, meine liebste Freundin, denn zur rechten Zeit wird es dir enthüllt werden!
    Als George mir schrieb, dass du es vorgezogen hast, sofort nach meiner Abreise nach Cornwall in den Schoß deiner Familie zurückzukehren, war ich bestürzt. Sterling und Laura hätten sich sehr gefreut, dich bis zum Ende der Saison als ihren Gast zu behalten. Die Vorstellung wäre mir ein großer Trost gewesen, dass du von einem Nachmittagstee zum nächsten gehst, dich auf einem hochrädrigen Phaeton durch den Hyde-Park kutschieren lässt, flirtest und die Nächte auf unzähligen Bällen und Soireen durchtanzt, die ich besucht hätte, hätte ich nicht meine erste Saison auf Spiel gesetzt für einen Kuss. (Auch wenn ich zugehen muss, dass es ein außerordentlich wundervoller Kuss war.)
    Solltest du denken, ich kauere hier in diesem Schrank, um einem brutalen Ehemann zu entkommen, dann lass dir versichern, dass der Marquis ein Muster an Fürsorglichkeit und Zurückhaltung ist. Manchmal wünsche ich mir, er würde mich anschreien oder schimpfen, nur als Beweis, dass er sich meiner Gegenwart bewusst ist. Obwohl er einen unfehlbar höflichen Gentleman abgibt, hat er doch die lästige Angewohnheit, einfach durch mich hindurch – statt mich anzusehen. (Und wie du gut weißt, vertrage ich es nicht gut, nicht beachtet zu werden.)
    Nein, es ist seine Tochter, der ich zu entkommen suche – die zehnjährige Stiefgöre, die mir jeden Augenblick meines Daseins verleidet. Ich weiß, ich kann mich hier nicht auf ewig verstecken, zumal der Nachmittagsunterricht – wenn man ihn so bezeichnen will – in einer Stunde beginnt. An den meisten Tagen bestehen diese Stunden daraus, dass ich vorne stehe und geduldig französische Verben konjugiere, während das kleine Ungeheuer gähnt und mit dem Fuß auf den Boden klopft oder aus dem Fenster starrt und neue Schändlichkeiten gegen mich ausheckt. Erst gestern kam ich in mein Schlafzimmer zurück, um zu entdecken, dass meine ganze kostbare Tinte in den Fläschchen durch Schuhwichse ersetzt worden war. Mein erster Gedanke war, die kleine Hexe aufzuspüren und sie ihr über den frechen Kopf zu kippen, aber ich habe mich dann doch geweigert, ihr diese Befriedigung zuteil werden zu lassen.
    Was der Marquis gegen die Streiche seiner Tochter unternimmt? Obwohl ich vermute, dass unsere kleinen Zusammenstöße eine geheime Quelle der Belustigung für ihn darstellen, nimmt er sie mit nicht mehr zur Kenntnis als einer hochgezogenen Augenbraue oder einem kaum wahrnehmbaren Zucken seiner Lippen, während er sich hinter die neueste Ausgabe der
Times
zurückzieht. Er scheint völlig damit zufrieden, uns die Sache allein austragen zu lassen. Der Sieger gewinnt alles.
    Mein einziger Trost besteht darin, mich jeden Abend an meinen Schreibtisch zu setzen und weiter an meinem Roman zu schreiben. (Meinen Roman habe ich doch schon erwähnt, oder nicht?) Glücklicherweise waren die Nächte bislang friedlich, da das Gespenst nicht wieder erschienen ist. (Das Gespenst hatte ich bereits erwähnt, oder?)
    Warte! Was höre ich da? Schleicht da jemand die Treppe hinunter? Ein Schauer läuft mir über den Rücken, als ich die Tür einen Spalt weit öffne und vorsichtig in den Korridor spähe. Ah, süße Erleichterung. Es ist nicht der Satansbraten von Stieftochter, sondern nur das neue Dienstmädchen auf der Flucht vor Marthas Zorn. Ich muss das arme, täppische Geschöpf erst noch zu Gesicht bekommen. Sie verbringt ihre ganze Zeit damit, wie eine kurzsichtige Krabbe von einer häuslichen Katastrophe zur nächsten zu fliehen. Man kann ihr ganz leicht folgen, indem man einfach immer dem Geräusch von zerbrechendem Porzellan und Marthas Gezeter nachgeht.
    Es gibt noch viel mehr, das ich dir erzählen möchte, aber es ist nur eine Frage der Zeit, ehe ich entdeckt werde. Oh, liebste, süße Harriet, meine Freundin und Vertraute, wie wünschte ich, du wärest

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