Eine skandaloese Liebesfalle
angenehmes Äußeres und Auftreten - nicht zu vergessen, dass er seinem Bruder geistig weit überlegen war.
„War Shakespeare etwa kein Schriftsteller, bevor er sein erstes Werk veröffentlichte?“
Lord Frederick lächelte. „Sie sind zu freundlich, Miss Edgerton.“
„Malen Sie Porträts oder klassische Motive oder gar biblische?“
„Ich habe ein oder zwei Porträts fertiggestellt, aber am liebsten ist mir die Darstellung von Menschen im Freien. Beim Spazierengehen, beim Picknick oder einfach beim Träumen.“ Er klang verlegen. „Ganz normale, übliche Sachen.“
„Das klingt sehr nett“, sagte sie ernst. Sie hatte einen so großen Teil ihres Lebens in diesem Haus eingesperrt verbracht, dass die Beschäftigungen, die Lord Frederick als selbstverständlich annahm, für sie überaus verlockend klangen. „Ich würde mich geehrt fühlen, wenn ich eines Tages Ihre Arbeiten sehen könnte.“
„Nun“ - sein bereits von der Sonne gerötetes Gesicht verfärbte sich tiefer - „vielleicht, wenn Sie einmal nach London kommen. “
Durch sein Erröten wurde er ihr noch lieber. Plötzlich wurde ihr etwas klar: Lord Frederick würde ebenso gut wie Lord Vere als Ehemann taugen.
Er war zwar kein Marquess, aber er war der Sohn von einem, und das war beinahe genauso perfekt. Mit dem Einfluss seiner Familie im Rücken und all ihren Verbindungen - sie verspürte wieder Hoffnung.
Außerdem durfte sie darauf vertrauen, dass er ihre schwierige Lage verstand. Sollte ihr Onkel bei Lord Vere vorsprechen, würde dieser ihm zweifellos beipflichten. Würde ihr Onkel sagen, Mrs Douglas würde sich danach sehnen, in ihr eigenes Zuhause heimzukehren, schon würde der Marquess dieser Bitte nachkommen - und schon wäre sie wieder da, wo sie nicht sein wollte. Lord Frederick, ein viel scharfsinnigerer Mann, würde das Böse in ihrem Onkel spüren und Elissande helfen, Tante Rachels zukünftiges Wohlergehen sicherzustellen.
„Oh, das werde ich versuchen“, erklärte sie. „Das werde ich sicherlich versuchen. “
5. Kapitel
Lord Vere wäre nicht der Idiot, der er vorgab zu sein, wenn er nicht das Zimmer eines anderen mit seinem eigenen verwechselt hätte. Das fehlte noch bei einer Gesellschaft auf dem Lande. Ihm standen mehrere Möglichkeiten offen. Miss Melbourne würde am lautesten kreischen, Miss Beauchamp am heftigsten lachen und Conrad am meisten schimpfen.
Daher entschied er sich für Miss Edgertons Zimmer.
Er hatte sich bereits in ihrem Zimmer aufgehalten: Als die Damen sich nach dem Essen in den Salon zurückzogen, hatte er den Speisesaal unter dem Vorwand verlassen, sich seine besonderen kolumbianischen Zigarren von oben holen zu wollen.
Er hatte die Gelegenheit genutzt, sich einen Überblick zu verschaffen, welcher Raum von wem belegt war. Aber vor allem hatte er einen Augenblick für sich allein benötigt, den er auf dem verlassenen Korridor verbrachte, mit dem Rücken gegen seine eigene Tür gelehnt, die Hand vor dem Gesicht.
Er hatte nichts verloren. Wie konnte er etwas verlieren, das überhaupt gar nicht existiert hatte? Und trotzdem hatte er alles verloren. Er konnte nicht länger an seine treue Gefährtin denken, so wie sie immer in seiner Vorstellung gewesen war - liebevoll, hilfreich und verständnisvoll. Jetzt sah er nur Miss Edgertons raubtierhafte Schönheit, die Schmeicheleien, ihre aufblitzenden Augen.
Jetzt endlich verstand er, warum Jungen manchmal mit Steinchen nach hübschen Mädchen warfen. Es war diese wortlose Wut, dieser heftige Schmerz zerbrochener Hoffnungen.
Er war nun wieder hier, um mit Steinchen auf Miss Edgerton zu werfen.
Sie saß vor ihrem Frisiertisch, wandte ihm das Profil zu und kämmte sich langsam, fast geistesabwesend das Haar. Als sie den Arm zu ihrem Kopf hob, glitten die weit geschnittenen kurzen Ärmel ihres Nachthemds zurück und gaben den Blick frei auf ihren nackten Oberarm und - für eine Schrecksekunde - den seitlichen Ansatz ihrer Brust.
„Miss Edgerton, was tun Sie in meinem Zimmer?“, rief er von der Tür, die er lautlos geöffnet hatte.
Sie schaute sich um, schnappte nach Luft und sprang von ihrem Stuhl auf. Hastig griff sie ihren Morgenrock, streifte ihn sich über und knotete den Gürtel um ihre Mitte fest zu. „Mylord, Sie irren. Das hier ist mein Zimmer.“
Er legte den Kopf schief und feixte. „Das sagen sie alle. Aber Sie, meine liebe Miss Edgerton, sind noch nicht verheiratet. Daher gibt es für Sie kein Techtelmechtel. Und jetzt gehen Sie
Weitere Kostenlose Bücher