Eine skandalöse Versuchung
haben.
Leonora erlaubte sich ein breiteres Lächeln; mit hocherhobenem Haupt schritt sie weiter.
Tristan hatte sich bequem gegen die Wand des Salons gelehnt und beobachtete die Begegnung von ferne - er sah die Verwunderung auf Lady Hollands Gesicht und bemerkte den amüsierten Blick, den sie ihm zuwarf, während Leonora in der Menge verschwand.
Er ignorierte diesen, stieß sich von der Wand ab und konzentrierte sich ganz auf seine Beute.
Er war unstandesgemäß früh erschienen, ungeachtet der Tatsache, dass Ihre Ladyschaft - die schon immer außergewöhnliches Interesse an seinem Werdegang gezeigt hatte - seine Gründe trefflich erahnte.
Die letzten zwei Stunden hatte er in Untätigkeit und unaussprechlicher Langeweile verbracht und sich bewusst daran erinnert, warum er es nie bereut hatte, mit zwanzig dem Militär beigetreten zu sein. Nun, da sich Leonora dazu herabgelassen hatte, zu erscheinen, konnte er endlich aktiv werden.
Die Einladungen, die er mittels seiner eigenen Verbindungen sowie der Hilfe seiner in London residierenden alten Damen erwirkt hatte, würden es ihm erlauben, jeden Abend der kommenden Woche irgendwo auf Leonora zu treffen.
Und zwar in zweckdienlicher Umgebung.
Und wenn dieses verdammte Frauenzimmer sich danach weiterhin stur stellte, würde die feine Gesellschaft - so wie sie nun einmal gestrickt war - ihr auch ohne sein weiteres Zutun beharrlich Einladungen zukommen lassen; dies wiederum würde ihm zahlreiche Gelegenheiten liefern, die er hartnäckig zu nutzen gedachte, bis Leonora schließlich nachgeben würde.
Er hatte sie jetzt im Blick; sie würde ihm nicht entkommen.
Tristan verringerte den Abstand und erreichte Leonoras Seite in dem Moment, als ihre Tanten sich gerade auf eines der niedrigen Sofas am Rande des Raums sinken ließen. Er kam mehreren Gentlemen zuvor, die ebenfalls ein Auge auf Leonora geworfen hatten und ihrerseits gerne einen Vorstoß gewagt hätten.
Er hatte herausgefunden, dass Lady Warsingham in gesellschaftlichen Kreisen kein unbeschriebenes Blatt war; ebenso wenig wie ihre Nichte. Leonora galt gemeinhin als eigensinnige Lady, die sich stur und hartnäckig einer Heirat widersetzte. Obwohl sie in ihrem Alter nicht mehr zu der Gruppe heiratsfähiger Misses zählte, wurde sie aufgrund ihrer Schönheit, ihrer Selbstsicherheit und ihres Verhaltens als eine Art Herausforderung betrachtet, zumindest in den Augen derjenigen Männer, die sich für derartige Herausforderungen interessierten.
Selbige Gentlemen würden ohne Zweifel sein Interesse wahrnehmen und sich fernhalten. Wenn sie klug waren.
Er verneigte sich vor den beiden älteren Damen, die ihn strahlend anlächelten.
Dann wandte er sich Leonora zu und begegnete ihrem eisigen Blick. »Miss Carling.«
Sie reichte ihm die Hand und knickste tief. Er verneigte sich, bedeutete ihr, sich zu erheben, und legte ihre Hand auf seinen Arm.
Welche sie ihm auf der Stelle wieder entzog, um ihm den Rücken zu kehren und andere Gäste zu begrüßen, die in diesem Moment auf sie zukamen.
»Leonora! Ist es denn die Möglichkeit? Wir haben uns ja schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen!«
»Guten Abend, Daphne. Mr Merryweather.« Leonora drückte ihre Wange an die der braunhaarigen Daphne - eine Lady mit üppigen Reizen -, dann schüttelte sie die Hand des Gentleman, der seiner Haarfarbe und den Gesichtszügen nach Daphnes Bruder sein musste.
Leonora warf Tristan einen flüchtigen Blick zu, dann schloss sie
ihn höflich in die Unterhaltung mit ein und stellte ihn als den Earl of Trentham vor.
»Tatsächlich!« Merryweathers Augen leuchteten auf. »Wie ich hörte, waren Sie bei Waterloo dabei.«
»Das war ich.« Er versuchte, seinen Worten einen abschließenden Tonfall zu verleihen, aber Merryweather schien dieser subtile Hinweis zu entgehen. Er stürzte sich in die üblichen Fragen; mit einem innerlichen Seufzer lieferte Tristan seine einstudierten Antworten.
Leonora, die seinen Tonfall besser einzuschätzen wusste, warf ihm einen neugierigen Blick zu, doch im nächsten Moment wurde sie von Daphne abgelenkt. Mit gespitzten Ohren bekam Tristan die Grundzüge ihrer Unterhaltung mühelos mit. Daphne ging davon aus, dass Leonora kein Interesse an ihm hatte; sie selbst, obgleich verheiratet, interessierte sich hingegen durchaus.
Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte er, wie Leonora ihn einschätzend musterte, dann lehnte sie sich zu Daphne hinüber, ließ ihre Stimme zu einem Flüstern herabsinken …
Plötzlich
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