Eine skandalöse Versuchung
ersticken, war ohnehin selbst jemandem mit Trenthams Fähigkeiten fast unmöglich. Gleichzeitig hielt Leonora nach weiteren Gelegenheiten Ausschau.
Voller Genugtuung stellte sie fest, dass sie ihre Gabe, einen Herrn mit einem einfachen Lächeln herbeizuzitieren, noch nicht verloren
hatte. Schon bald hatte sie ein erlesenes Grüppchen an Gentlemen zusammengetrieben, von denen jeder sich mühelos in einer Konversation behaupten konnte. Lady Hollands Zusammenkünfte waren bekannt für ihre geistreichen und schlagfertigen Wortwechsel; mit einer subtilen Andeutung hier, einem gezielten Anstoß da brachte Leonora das Gespräch mühelos ins Rollen, sodass sich bald eine ganz eigene Dynamik entfaltete.
Sie musste ein allzu verräterisches Lächeln unterdrücken, als sie bemerkte, wie Trentham, zunächst gegen seinen Willen, in eine angeregte Diskussion über die Zensur der Klatschpresse verstrickt wurde. Sie verweilte an seiner Seite und führte die Oberaufsicht, stets bestrebt, das Gespräch in Gang zu halten.
Lady Holland näherte sich der Gruppe um Leonora und blieb neben ihr stehen; sie nickte beifällig und blickte ihr in die Augen.
»Sie haben eine außergewöhnliche Gabe.« Sie tätschelte Leonoras Arm und warf einen flüchtigen Blick zu Trentham hinüber, ehe sie Leonora mit einem schelmischen Blick bedachte und sich wieder entfernte.
Welche Gabe? , fragte sich Leonora. Einen Wolf in Schach zu halten?
Die ersten Gäste brachen bereits auf, noch ehe sich die Diskussion erschöpft hatte.
Die versammelten Gentlemen traten nur widerwillig auseinander, um zu ihren Ehefrauen zurückzukehren.
Als sie und Trentham wieder allein waren, blickte er sie an. Seine Lippen wurden schmal, seine Augen funkelten hart.
Sie sah ihn prüfend an und wandte sich dann zum Ausgang des Saals, wo Mildred und Gertie sie bereits erwarteten. »Tu nicht so, als hättest du es nicht genossen.«
Sie war sich nicht ganz sicher, aber sie glaubte, ein widerwilliges Knurren zu vernehmen. Sie musste sich nicht umsehen, um zu wissen, dass er ihr auf dem Fuß folgte, während sie sich zu ihren Tanten begab.
Er war, wenn schon nicht übermäßig vergnügt, so doch zumindest
vollendet höflich und geleitete sie die Treppe hinunter zu ihrer wartenden Kutsche.
Tristan half ihren Tanten hinauf, dann wandte er sich Leonora zu. Er stellte sich absichtlich zwischen sie und den Wagen und ergriff ihre Hand, seinen Blick fest auf ihre Augen gerichtet.
»Komm nur nicht auf die glorreiche Idee, dieses Spielchen morgen noch einmal zu spielen.«
Er trat beiseite und half ihr in die Kutsche.
Mit einem Fuß bereits auf dem Tritt blickte sie auf ihn herab und bedachte ihn mit einem provozierenden Augenaufschlag. Sogar in der relativen Dunkelheit erkannte er die Herausforderung, die in ihrem Blick funkelte.
»Du hast den Ort gewählt - ich wähle die Waffen.«
Sie neigte nüchtern den Kopf und zog ihn leicht ein, um ins Innere der Kutsche zu klettern.
Er schloss den Wagenschlag mit Bedacht - und einer gewissen Nachdenklichkeit.
11
Während sie am nächsten Morgen beim Frühstück saß, warf Leonora einen Blick in ihren Terminkalender; ihre abendlichen Verpflichtungen waren mit einem Mal sehr viel dichter gesät als noch vor drei Tagen.
»Du entscheidest«, hatte Mildred ihr eingeräumt, als sie am Vorabend aus der Kutsche gestiegen war.
Leonora knabberte an ihrem Toast und wog die verschiedenen Möglichkeiten gegeneinander ab. Obwohl der offizielle Saisonbeginn erst in ein paar Wochen war, standen am heutigen Abend zwei Bälle an, zu denen man sie eingeladen hatte. Die weitaus bedeutendere Veranstaltung war der Ball der Colchesters in Mayfair, weniger wichtig und gewiss weit weniger förmlich war hingegen der Ball der Masseys in Chelsea.
Trentham ginge sicherlich davon aus, dass sie sich für die Veranstaltung in Colchester House entscheiden würde; wie zuvor bei Lady Holland würde er sie dort sicherlich erwarten.
Sie schob ihren Stuhl zurück, stand auf und begab sich in den Salon, um eine kurze Nachricht an Mildred und Gertie zu verfassen, worin sie ihnen mitteilte, dass sie sich entschieden hatte, die Einladung der Masseys anzunehmen.
Rasch brachte sie an ihrem Schreibtisch ein paar knappe Zeilen zu Papier, adressierte sie mit den Namen ihrer beiden Tanten und läutete schließlich nach einem Diener. Sie hoffte inständig, dass in ihrem Fall die Liebe mit der Entfernung abnahm , anstatt zu wachsen; abgesehen davon, dass Trentham sich über ihre
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