Eine skandalöse Versuchung
erwarten würde, um dann gezielt woandershin zu gehen, tauchte er unweigerlich an ihrer Seite auf, sobald sie auch nur den Fuß zur Tür hineinsetzte.
Was seine Kenntnis der jeweiligen Räumlichkeiten anbelangte, grenzte diese schon fast an Hexerei. Sie hatte weitaus mehr Zeit in gesellschaftlichen Kreisen verbracht als er, noch dazu in jüngerer Zeit, und dennoch führte er sie stets mit unfehlbarer Sicherheit in einen kleinen Salon oder eine abgeschiedene Bibliothek, ein Arbeitszimmer oder einen kleinen Wintergarten.
Am Ende der ersten Woche fühlte sie sich regelrecht gehetzt.
Allmählich kam ihr der Verdacht, dass sie ihre gegenseitige Anziehungskraft womöglich unterschätzt hatte.
Oder - schlimmer noch - dass sie die Natur dieser Anziehungskraft völlig falsch gedeutet hatte.
12
Was die Erstellung eines effizienten Netzwerks an Informanten anging, kannte Tristan sich bestens aus.
Lady Warsinghams Kutscher hatte keinerlei Bedenken, dem örtlichen Straßenfeger zu erzählen, wohin seine Pflichten ihn am jeweiligen Abend führten; woraufhin einer von Tristans Dienern des Mittags die Straße hinunterschlenderte, um betreffende Information bei selbigem Straßenfeger einzuholen und sie Tristan zu überbringen.
Sein eigenes Dienstpersonal erwies sich als herausragende Informationsquelle,
wenn es darum ging, engagierte und detailreiche Auskünfte darüber zu erhalten, wie die Häuser, in denen Leonora sich aufzuhalten gedachte, räumlich eingeteilt waren. Gasthorpe war zudem selbst aktiv geworden und hatte Kontakt zu einem weiteren überaus wertvollen Informanten hergestellt.
Toby, der Laufbursche der Carlings, hielt sich für gewöhnlich in der Küche der Carlings auf und war dementsprechend über die Aktivitäten seiner beiden Herren sowie seiner Herrin bestens informiert. Der Junge war stets begierig, weitere Erzählungen des ehemaligen Hauptfeldwebels Gasthorpe zu hören, und erteilte im Gegenzug ganz unschuldig Auskunft über Leonoras tagtägliche Aktivitäten.
Heute hatte sie sich entschlossen, den Galaabend der Marchioness of Huntly zu besuchen. Tristan traf frühzeitig genug ein, um vor dem geschätzten Eintreffen der Gruppe um Lady Warsingham dort zu sein.
Lady Huntly begrüßte ihn mit einem Funkeln in den Augen. »Wie ich höre«, sagte sie, »zeigen Sie ein besonderes Interesse an Miss Carling?«
Er begegnete ihrem Blick offen und sagte: »In der Tat ein ganz besonderes.«
»In diesem Fall sollte ich Sie wohl warnen, dass heute Abend einige meiner Neffen zugegen sein werden.« Lady Huntly tätschelte seinen Arm. »Nur ein wohlgemeinter Hinweis.«
Er nickte ihr zu und verschwand in der Menge, während er im Stillen nach dem relevanten Zusammenhang suchte. Ihre Neffen? Er war gerade im Begriff, nach Ethelreda oder Millicent Ausschau zu halten, die sich irgendwo im Raum aufhielten, um sie um eine Erklärung zu bitten, als ihm mit einem Mal einfiel, dass Lady Huntly eine geborene Cynster war.
Er fluchte leise, machte eine abrupte Kehrtwendung und brachte sich in der Nähe des Haupteingangs in Position.
Leonora traf einige Minuten später ein; kaum dass sie die obligatorischen Begrüßungen hinter sich gebracht hatte, ergriff er ihre Hand.
Sie zog fragend eine Augenbraue hoch; es war überdeutlich, dass ein spitzer Kommentar hinsichtlich seines allzu offenkundigen Besitzanspruches unmittelbar bevorstand. Er schloss seine Hand fester um ihre und drückte ihre Finger. »Lass uns einen angemessenen Platz für deine Tanten suchen, dann können wir tanzen.«
Sie sah ihn an. » Nur tanzen.«
Eine Warnung, die er nicht zu berücksichtigen gedachte. Gemeinsam geleiteten sie Leonoras Tanten zu einer Gruppe von Sitzmöbeln, wo sich bereits mehrere Damen im gesetzteren Alter versammelt hatten.
»Guten Abend, Mildred.« Eine herausgeputzte ältere Dame nahm sie mit einem hoheitsvollen Nicken in Empfang.
Lady Warsingham erwiderte die Geste. »Lady Osbaldstone. Sie erinnern sich gewiss noch an meine Nichte, Miss Carling?«
Die alte Dame - durchaus freundlich wirkend, doch mit einem entsetzlich durchdringenden Blick - musterte Leonora eingehend, während diese höflich vor ihr knickste. Der alte Drachen schnaubte höhnisch. »Und ob ich mich an Sie erinnere, Miss - nur dass Sie eigentlich längst keine Miss mehr sein sollten.« Ihr Blick wanderte hinüber zu Tristan. »Und das hier ist …?«
Lady Warsingham stellte sie einander vor; Tristan verneigte sich.
Lady Osbaldstone kommentierte spitz: »Bleibt
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