Eine skandalöse Versuchung
dahinter verbarg.
Wohin auch immer sie steuerten, sie konnten sich immer noch Gedanken machen, wenn sie erst einmal dort angekommen wären. Den Dingen vorerst ihren Lauf zu lassen, während er sich derweil um den geheimnisvollen Einbrecher kümmerte, erschien ihm durchaus vernünftig. Ob sich zwischen ihnen nun etwas entwickelte oder nicht, seine Prioritäten waren in jedem Fall klar gesetzt. Sein oberstes Ziel war es, die Bedrohung, die über ihr schwebte, zu entschärfen; nichts und niemand würde sich ihm in den Weg stellen - er war viel zu beschlagen, um sich in irgendeiner Weise von diesem Ziel abbringen zu lassen.
Wenn er seine Mission erst einmal erfüllt hatte und Leonora außer Gefahr war, in Sicherheit, dann konnte er sich immer noch überlegen, wie er mit dieser unerwarteten Leidenschaft verfahren wollte, die ihm das Schicksal so leichtfertig untergeschoben hatte.
Er spürte, wie etwas in ihm aufwallte und mit jeder Minute, die Leonora in seinen Armen lag, stärker, entschlossener, gieriger wurde. Es war an der Zeit, dem ein Ende zu setzen; er hatte keinerlei Skrupel, seine Dämonen brutal in ihre Schranken zu weisen und sich der Umarmung zu entziehen.
Er hob den Kopf. Sie blinzelte ihn benommen an, dann atmete sie scharf ein und blickte sich um. Er ließ sie los, ließ sie einen
Schritt zurücktreten, während ihr Blick zu seinem Gesicht zurückkehrte.
Sie fuhr sich mit der Zunge über die Oberlippe.
Ein schmerzliches Verlangen durchzuckte ihn. Er richtete sich gerade auf, atmete tief ein.
»Wie …« Sie räusperte sich. »Wie wollen Sie hinsichtlich des Einbrechers nun weiter vorgehen?«
Er sah sie an. Fragte sich, wie viel wohl dazugehörte, ihren Verstand gänzlich auszuschalten. »Ich will einen Blick in das Zentralarchiv werfen, das in Somerset House angelegt wird. Ich will herausfinden, wer dieser Montgomery Mountford eigentlich ist.«
Sie dachte kaum einen Moment nach, bevor sie nickte. »Ich werde mitkommen. Vier Augen sehen mehr als zwei.«
Er zögerte, als müsse er darüber nachdenken, dann neigte er zustimmend den Kopf. »Einverstanden. Ich werde Sie um elf Uhr abholen.«
Sie starrte ihn an. Er konnte ihre Augen nicht richtig erkennen, aber er war sich ziemlich sicher, dass sie überrascht war.
Er lächelte charmant.
Sie wirkte misstrauisch.
Sein Lächeln nahm einen ehrlicheren Zug an - zynisch und amüsiert zugleich. Er nahm ihre Hand und hob sie an seine Lippen. »Bis morgen.«
Sie sah ihn mit hochgezogenen Brauen herablassend an. »Sollten Sie sich nicht ein paar Notizen über den Wintergarten machen?«
Er erwiderte ihren Blick, drehte ihre Hand herum und drückte seine Lippen in ihre Handfläche. »Ich habe gelogen. Ich habe bereits einen.« Er ließ ihre Hand los und trat zurück. »Erinnern Sie mich daran, dass ich ihn Ihnen einmal zeige.«
Mit einem Nicken und einem letzten herausfordernden Blick drehte er sich um und ging.
Sie wirkte noch immer misstrauisch, als Tristan sie am nächsten Morgen mit seinem offenen Zweispänner abholte.
Er sah sie an und half ihr beim Einsteigen; mit hocherhobener Nasenspitze gab sie vor, ihn nicht weiter zu beachten. Er kletterte ebenfalls in die Kutsche, nahm die Zügel auf und trieb seine beiden Schimmel an.
Sie sah bezaubernd aus in ihrer dunkelblauen Pelisse, die sie über dem himmelblauen Tageskleid zugeknöpft hatte. Ihre Haube umrahmte ihre feinen Gesichtszüge, auf denen ein zarter Hauch von Farbe lag - so als hätte ein Künstler ihr Gesicht auf feinstes Porzellan gemalt.
Während er die nervösen Pferde sicher durch die überfüllten Straßen lenkte, fragte er sich insgeheim, warum sie nie geheiratet hatte.
Es konnten doch nicht alle Männer der Londoner Oberschicht blind sein. Hatte sie sich aus einem bestimmten Grund rargemacht? Oder hatten ihre bestimmende Art, ihre ausgeprägte Selbstständigkeit und ihr Hang, die Führung an sich zu reißen, die Männerwelt vor eine zu große Herausforderung gestellt?
Er war sich ihrer weniger attraktiven Eigenschaften durchaus bewusst, doch aus einem unerfindlichen Grund war es gerade der Teil von ihm, den sie - und zwar nur sie - so unerwartet geweckt hatte, der diese Eigenschaften nicht nur als lapidare Herausforderung betrachtete, sondern vielmehr als regelrechte Kriegserklärung. Als wäre sie ein kühner Gegner, der ihm selbstbewusst die Stirn bot. Natürlich war das alles Unsinn - das wusste er selbst -, aber irgendwie hatte sich diese Überzeugung tief in ihn
Weitere Kostenlose Bücher