Eine skandalöse Versuchung
rührten sich, öffneten sich …
Schritte knirschten ganz in der Nähe im Kies. Beide blickten sich um.
Gasthorpe, der Majordomus, ein gedrungener Mann mit borstigem, grau meliertem Haar, näherte sich ihnen vom Haus her. Als er sie erreicht hatte, verneigte er sich. »Miss Carling.«
Sie hatte Wert darauf gelegt, dem Mann bereits am Tag nach seinem Einzug einen Besuch abzustatten. Sie lächelte und neigte den Kopf.
Er wandte sich Trentham zu. »Mylord, verzeihen Sie die Störung, ich wollte nur sichergehen, dass Sie hereinkommen. Die Tischler haben heute das Mobiliar für die erste Etage geliefert. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie einen kurzen Blick darauf werfen und mir sagen könnten, ob alles zu Ihrer Zufriedenheit ist.«
»Selbstverständlich. Ich komme gleich …«
»Eigentlich«, Leonora berührte Trenthams Arm und suchte seinen Blick, »würde ich nur allzu gern sehen, was Sie aus Mr Morrisseys Haus gemacht haben. Wäre es Ihnen recht, wenn ich mit reinkomme, während Sie die Möbel überprüfen?« Sie lächelte. »Möglicherweise kann ich Ihnen sogar helfen - der Blick einer Frau betrachtet derlei Dinge anders als der eines Mannes.«
Trentham sah sie an, dann wanderte sein Blick zu Gasthorpe. »Es ist schon spät. Ihr Onkel und ihr Bruder …«
»Werden nicht einmal bemerkt haben, dass ich weg war.« Ihre Neugier war nicht zu bremsen; ihre Augen waren weit geöffnet und fixierten Trenthams Gesicht.
Seine Mundwinkel zuckten flüchtig, wurden dann jedoch wieder unbeweglich; sein Blick kehrte zu Gasthorpe zurück. »Wenn Sie darauf bestehen.« Sie ergriff seinen Arm und ließ sich von ihm zum Weg führen. »Allerdings ist bis jetzt nur der erste Stock möbliert.«
Sie fragte sich, woher diese plötzliche Zurückhaltung rührte. Schließlich schob sie es darauf, dass er als Gentleman wohl unerwartet in die Verlegenheit gekommen war, ein Haus ausstatten lassen
zu müssen. Vermutlich fühlte er sich in dieser Rolle nicht besonders wohl.
Sie ignorierte seine Zurückhaltung und ging beschwingten Schrittes an seiner Seite den Weg entlang. Gasthorpe war vorausgegangen und hielt ihnen die Tür auf. Sie trat über die Schwelle und blickte sich um. Das letzte Mal hatte sie diesen Flur in nächtlicher Dunkelheit betreten - der Raum war kahl und leer und mit Tüchern verhangen gewesen.
Die Verwandlung hätte vollständiger nicht sein können. Der Flur war überraschend hell und luftig, keineswegs dunkel und erdrückend - eine Stimmung, die sie im Allgemeinen mit Herrenklubs in Verbindung brachte. Allerdings fand sich nicht das kleinste Detail, welches die durch und durch elegante, doch überaus strenge Linie in irgendeiner Weise auflockerte - keine gemusterten Tapeten, nicht einmal Stuckverzierungen. Es wirkte irgendwie kühl, fast trist, da jedes feminine Element fehlte; nichtsdestoweniger konnte sie sich gut vorstellen, dass Männer wie Trentham sich hier gern treffen würden.
Sie würden die mangelnde Zartheit des Ortes gar nicht bemerken.
Trentham bot nicht an, ihr das Erdgeschoss zu zeigen; er deutete stattdessen zum Treppenaufgang. Während sie zusammen hinaufgingen, fielen ihr das makellos glänzende Geländer und der dicke Teppich ins Auge. Geld war offenbar kein Kriterium gewesen.
Im ersten Stock ging Trentham an ihr vorbei und führte sie in das zur Frontseite hin gelegene Zimmer. In der Mitte des Raumes befand sich ein langer Tisch aus Mahagoni; acht mit ockerfarbenem Samt bezogene passende Stühle standen um ihn herum. Vor der einen Wand stand eine Anrichte, ihr gegenüber befand sich eine lang gestreckte Kommode.
Tristan sah sich aufmerksam um und warf einen kritischen Blick auf ihr künftiges Versammlungszimmer. Alles war ganz so, wie sie es sich vorgestellt hatten; er kreuzte Gasthorpes Blick und nickte ihm bestätigend zu. Dann bedeutete er Leonora, den Gang hinunter in die entgegengesetzte Richtung zu gehen.
Bei einem kleinen Arbeitszimmer mit Schreibtisch, Schubladenschrank und zwei Stühlen genügte ein flüchtiger Blick. Sie gingen weiter, um das rückwärtig gelegene Zimmer zu begutachten - die Bibliothek.
Der Händler, bei dem sie das Mobiliar bestellt hatten, Mr Meecham, beaufsichtigte gerade den Einbau eines der hohen Bücherregale. Er blickte kurz auf, wandte seine gesamte Aufmerksamkeit jedoch umgehend wieder seinen beiden Gehilfen zu, um sie zuerst in die eine, dann in die andere Richtung zu winken, bis sie das schwere Regal schließlich zu seiner vollsten Zufriedenheit
Weitere Kostenlose Bücher