Eine skandalöse Versuchung
geblieben war. »Ungeachtet aller Schwierigkeiten kann es Ihnen doch gewiss nicht leidtun, all das hier geerbt zu haben.«
Sie breitete ihre Arme aus, ihre Hände, bezog alles - die Gärten, den See, die gesamte Landschaft - in ihre Aussage mit ein.
Er kreuzte ihren Blick, erwiderte ihn eine ganze Weile, ehe er leise antwortete: »Nein, es tut mir nicht leid.«
Sie bemerkte seinen Tonfall, ahnte einen tieferen Sinn hinter den Worten. Sie runzelte fragend die Stirn.
Seine Lippen, die bisher eine ernste Linie geformt hatten - ebenso ernst wie sein Gesichtsausdruck -, verzogen sich zu einem ihrer Ansicht nach leicht ironischen Lächeln. Er umfasste ihr Handgelenk, dann ließ er seine Hand nach unten wandern und umschloss die ihre.
Langsam hob er ihr Handgelenk an seine Lippen. Während seines Kusses hielt er ihren Blick gebannt; seine Lippen verweilten, während ihr Puls einen Satz machte und heftig zu rasen begann.
Als wäre dies das Signal, auf das er nur gewartet hatte, umfasste er sie und zog sie an sich heran. Sie ließ es bereitwillig geschehen und begegnete seiner Umarmung - nicht nur neugierig, sondern unverhüllt begierig.
Er neigte den Kopf zu ihr herab, und ihre Augen schlossen sich; sie hob ihm ihre Lippen entgegen, er empfing sie. Schob sie auseinander, drängte hinein, nahm ihren Mund und ihre Sinne vollkommen in Beschlag.
Sie gab ihm nach, ohne dabei die geringsten Bedenken zu hegen. Sie war sich absolut sicher, ihn richtig einzuschätzen: Er würde ihr niemals schaden. Wo seine berauschenden Küsse sie jedoch hinführten - was als Nächstes kommen würde und wann -, darüber war sie sich völlig im Unklaren; sie hatte keinerlei Erfahrung, auf die sie hätte zurückgreifen können.
Sie war eben noch nie verführt worden.
Dass er genau dieses Ziel verfolgte, hatte sie längst akzeptiert; es konnte keinen anderen Grund für sein Verhalten geben. Er hatte sie nach ihrem Alter gefragt und konstatiert, dass sie alt genug war. Mit fünfundzwanzig war sie in die Ränge der alten Jungfern aufgestiegen; nun, mit sechsundzwanzig, war sie - in seinen Augen gewiss nicht weniger als in ihren - die Herrin über ihr eigenes Leben. Eine alte Jungfer, die tun und lassen konnte, was sie wollte; ihre Handlungen wirkten sich auf niemanden nachteilig aus, sie gingen niemanden etwas an.
Was nicht bedeuten sollte, dass sie all seinen Wünschen zwangsläufig nachgeben würde. Sie würde selbst entscheiden, ob und wie viel weiter sie gehen würde, wenn es erst einmal so weit war.
Heute mit Sicherheit nicht. Nicht in einem offenen Tempel, der vom Haus aus zu sehen war. In der sicheren Überzeugung, nicht weiter nachdenken zu müssen, ließ sie sich tiefer in seine Arme sinken und erwiderte seinen Kuss.
Ihre Zunge duellierte sich mit seiner; sie ließ sich vom Geben und Nehmen treiben, spürte die Hitze zwischen ihnen aufwallen, genoss die unbeschreibliche Anspannung, die knisternde Erregung, die ihren Körper vollständig erfasste und ihn mit prickelnder Vorfreude erfüllte.
Ihre Glieder spannten sich; die Hitze wurde intensiver, staute sich auf.
Mutig schob sie ihre Hände über seine Schultern hinauf in den Nacken. Sie spreizte ihre Finger und vergrub sie in seinen dunklen Locken. Dicht und schwer glitten sie ihr durch die Finger, während seine Zunge tief in ihren Mund drang.
Er legte seinen Kopf schräg, zog sie näher an sich heran, bis ihre Brust hart gegen seinen Oberkörper gepresst war; ihre Oberschenkel berührten seine, ihre Röcke verhedderten sich über seinen Schuhen. Er hielt sie fest umschlungen, hob sie mühelos an; seine Stärke fesselte sie. Ihr Kuss wurde immer intimer, sodass ihre Münder vollständig miteinander verschmolzen. Sie hatte das Gefühl, sie müsste - sie sollte - schockiert sein, doch stattdessen verspürte sie nur diese ungeheure Hitze, diese kühne Selbstsicherheit - ihre wie seine - und ein schwindelerregendes Verlangen.
Dieses unstillbare Verlangen entsprang ihnen gemeinsam - nicht allein ihm und nicht allein ihr; es war etwas, was zwischen ihnen beiden wuchs.
Was sie beide verlockte.
Verführte.
Was Tristans Bedürfnisse schürte.
Doch es waren ihre Bedürfnisse, auf die er sich in diesem Augenblick konzentrierte, die er beobachtete, einschätzte, befriedigte, die ihn schließlich dazu bewegten, seine Umarmung zu lockern und sie nur noch mit einem Arm festzuhalten, während seine freie Hand zu ihrem Gesicht hinaufwanderte. Um ihre Wange, ihren Kiefer nachzuzeichnen, ihr
Weitere Kostenlose Bücher