Eine skandalöse Versuchung
geschlossen - oder vielmehr sichergestellt, dass Colby ihn kannte -, nachdem sie das Haus Nummer zwölf für ihren Klub auserkoren hatten.
Als Colby von den seltsamen Machenschaften am Montrose Place erfuhr, reagierte er grimmig und sog schneidend die Luft durch die Zähne. Tristan hatte keinen Moment lang angenommen, dass die versuchten Einbrüche das Machwerk örtlicher Durchschnittsganoven waren; Colbys Reaktion wie auch seine verbale Bestätigung gaben dieser Vermutung recht.
Colbys Augen verengten sich; er sah nun weit mehr nach dem potenziell gefährlichen Schurken aus, der er tatsächlich war. »Ich würd diesen feinen Gentleman ja zu gern mal kennenlernen.«
»Er gehört mir«, entgegnete Tristan sachlich.
Colby sah ihn einschätzend an, nickte dann. »Ich werd’s allen sagen, dass Sie’n Wörtchen mit ihm zu wechseln haben. Wenn einer meiner Jungs über ihn stolpert, werd ich Sie’s wissen lassen.«
Tristan neigte den Kopf. »Sobald ich ihn in die Hände bekomme, werden Sie nichts mehr von ihm hören.«
Colby nickte knapp - Geschäft angenommen. Information als Gegenleistung für die Beseitigung eines Konkurrenten. Tristan läutete nach Havers, der den Mann zur Tür geleitete.
Tristan vollendete den letzten seiner Briefe - alle mit demselben Inhalt, nämlich der Forderung nach Informationen - und übergab sie an Havers, und zwar mit einer eindeutigen Anweisung bezüglich ihrer Auslieferung: »Keine Livree, und schicken Sie Ihren kräftigsten Diener.«
»Sehr wohl, Mylord. Verstehe. Wir wollen dem Ganzen etwas mehr Nachdruck verleihen. Collison wäre sicherlich der richtige Mann hierfür.«
Tristan nickte und unterdrückte ein Lächeln, während Havers sich zurückzog. Der Mann war ein wahrer Segen; er kümmerte sich um die schier endlosen Anliegen seiner älteren Damen und widmete sich mit derselben Gelassenheit den ungleich raueren Angelegenheiten seiner eigenen Geschäfte.
Nachdem Tristan alles erledigt hatte, was er in Sachen Mountford unternehmen konnte, wandte er sich den alltäglichen Aufgaben und Pflichten zu, die ihm sein Dasein als Earl auferlegte; die Uhr tickte derweil beharrlich weiter, und zahllose Minuten verstrichen, ohne dass Tristan hinsichtlich der Sicherheit im Zuständigkeitsbereich selbigen Earls irgendwelche nennenswerten Fortschritte verzeichnen konnte.
Für jemanden von seinem Naturell war diese Tatsache überaus unerquicklich.
Er ließ sich von Havers das Mittagessen auf einem Tablett servieren und arbeitete unermüdlich den Stapel an Geschäftsbriefen ab. Auf den letzten dieser Briefe schrieb er einen knappen Vermerk an seinen Verwalter, dann schob er den Stapel seufzend beiseite.
Und richtete seine ungeteilte Aufmerksamkeit auf das Thema Heirat.
Auf seine zukünftige Gattin.
Es war bezeichnend, dass er sich Leonora nicht als seine Braut vorstellte, sondern als seine zukünftige Ehefrau. Ihre Verbindung würde sich nicht nach gesellschaftlichen Äußerlichkeiten richten, sondern nach den praktischen, ungeschönten Anforderungen des alltäglichen Lebens. Er konnte sie sich problemlos an seiner Seite vorstellen, als seine Countess, wie sie sich den Pflichten ihres zukünftigen Lebens widmete.
Er hätte wohl eine Reihe möglicher Kandidatinnen in Betracht ziehen sollen. Hätte er darum gebeten, wären ihm die werten Klatschmäuler in seinem Haushalt nur allzu gern mit einer umfänglichen
Liste zu Hilfe geeilt. Er hatte mit diesem Gedanken gespielt, zumindest hatte er sich das eingeredet, doch in einer so privaten und wesentlichen Angelegenheit den Rat anderer einzuholen, widerstrebte ihm heftig.
Außerdem war dies nun überflüssig, reine Zeitverschwendung.
Rechts von seiner Schreibtischunterlage lag Leonoras Brief. Sein Blick blieb daran haften, an der feinen Handschrift, die deutlich an ihre Besitzerin erinnerte; während er so dasaß und brütete, drehte er die Feder in seinen Fingern rastlos hin und her.
Die Uhr schlug drei. Er blickte auf und legte die Feder beiseite; dann schob er den Stuhl zurück, stand auf und ging in Richtung Flur.
Havers erwartete ihn in der Eingangshalle; er half ihm in den Mantel, reichte ihm seinen Stock und öffnete ihm die Tür.
Tristan trat hinaus, ging schwungvollen Schrittes die Treppe hinunter und machte sich auf den Weg zum Montrose Place.
Er traf Leonora in Cedrics Werkstatt an, einem großzügigen Raum im Kellergeschoss des Hauses. Die Wände bestanden aus dickem, kaltem Mauerwerk. Entlang der einen Wand blickte eine
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