Eine skandalöse Versuchung
zu bitten, sie ein wenig herumzuführen, wäre insofern sinnlos gewesen, als seine Cousinen sich zweifellos angeschlossen hätten.
Mit tiefem Bedauern hatte sie seinen Wintergarten von der Liste möglicher Verführungsorte gestrichen; ein angemessener Zeitpunkt würde sich sicherlich finden lassen, und die gepolsterte Fensterbank war für ihre Zwecke auch bestens geeignet, aber sie konnten niemals sicher sein, dort ungestört zu bleiben.
Trentham hatte seine Kutsche anspannen lassen, Leonora hinaufgeholfen und sie unverrichteter Dinge nach Hause geschickt. Unbefriedigt. Und gieriger denn je.
Aber auch entschlossener.
Wenigstens war ihr Ausflug nicht ganz umsonst gewesen; sie hielt nun einen Trumpf in der Hand. Und sie würde ihn mit Bedacht ausspielen. Dies bedeutete, dass sie die Hindernisse von Zeit, Ort und Privatsphäre alle gleichzeitig aus dem Weg schaffen musste. Sie hatte keinen blassen Schimmer, wie notorische Schwerenöter dies anstellten. Vielleicht warteten sie ganz einfach ab, bis sich eine günstige Gelegenheit bot, und schlugen dann zu.
Nachdem sie allerdings bereits jahrelang geduldig gewartet und sich nun endlich entschlossen hatte, war sie keineswegs gewillt, sich zurückzulehnen und Däumchen zu drehen. Eine günstige Gelegenheit war alles, was sie brauchte; wenn nötig, musste sie diese eben selbst schaffen.
Alles schön und gut, nur leider wusste sie nicht wie.
Den ganzen Tag über zerbrach sie sich den Kopf. Sie zog sogar in Betracht, das ständige Angebot ihrer Tante Mildred anzunehmen und sich von ihr zu irgendeiner gesellschaftlichen Veranstaltung mitnehmen zu lassen. Trotz ihrer allgemeinen Abneigung gegen Bälle und Partys war sie sich sehr wohl bewusst, dass derartige Veranstaltungen Rückzugsorte boten, an denen sich Herren und Damen ungestört treffen konnten. Allerdings hatte sie den Randbemerkungen seiner Cousinen wie auch seinen eigenen bissigen Kommentaren entnommen, dass Trentham sich nur ungern in gesellschaftlichen Kreisen bewegte. Warum sollte sie sich also selbst die Mühe machen, wenn sie ihn dort sowieso nicht treffen würde - weder ungestört noch sonst irgendwie.
Als die Uhr vier schlug, ließ sie die Feder sinken und reckte ihre Arme über den Kopf. Sie war mit dem Briefeschreiben nahezu fertig, doch was einen passenden Ort für die Verführung anging, war sie noch immer keinen Schritt weiter.
»Es muss doch irgendeinen Ort geben!« Wütend und ungeduldig sprang sie von ihrem Stuhl auf. Völlig frustriert. Ihr Blick fiel zum Fenster. Es war ein schöner, aber recht windiger Tag gewesen. Inzwischen hatte sich der Wind gelegt; ein ruhiger, wenn auch kühler Abend sank langsam herab.
Sie ging zielstrebig in Richtung Eingang und griff sich ihren Mantel. Die Haube ließ sie liegen; sie würde nicht lange draußen bleiben. Sie ließ ihren Blick schweifen in der Erwartung, Henrietta zu entdecken, doch dann fiel ihr ein, dass einer der Diener die Hündin in den nahe gelegenen Park geführt hatte, damit sie dort ihr Geschäft verrichten konnte.
»Verdammt!« Sie wünschte, sie wäre rechtzeitig gekommen, um ihnen Gesellschaft zu leisten.
Der Garten, vor wie hinter dem Haus, war ihr zu geschützt; sie wünschte sich, nein, sie benötigte dringend frische Luft. Sie musste tief durchatmen, sich abkühlen, ihren Verdruss abschütteln und ihren Verstand beleben.
Sie war schon seit Wochen nicht mehr allein draußen gewesen, aber der Einbrecher konnte sie doch wohl unmöglich ununterbrochen beobachten.
Mit wehenden Röcken wirbelte sie herum, öffnete die Haustür und trat hinaus.
Sie ließ die Tür hinter sich angelehnt und schritt die Stufen hinunter; dann folgte sie dem Weg zum Tor. Dort angekommen warf sie einen Blick durch die Gitterstäbe. Es war noch hell genug; sie konnte die ruhige Straße in beide Richtungen überblicken und keine Menschenseele entdecken. Keinerlei Gefahr in Sicht. Sie öffnete das Tor, schlüpfte hindurch und zog es mit einem festen Ruck zu, dann ging sie eilig den Gehweg hinunter.
Als sie am Nachbarhaus vorüberkam, blickte sie kurz auf, konnte aber keinerlei Bewegung ausmachen. Sie hatte von Toby erfahren, dass Gasthorpe inzwischen die volle Belegschaft eingestellt hatte; die meisten von ihnen waren aber noch nicht eingezogen. Biggs hingegen war nach wie vor jede Nacht anwesend, und Gasthorpe verließ nur selten das Haus; es hatte dort keine weiteren verbrecherischen Aktivitäten mehr gegeben.
Seit Leonora den Mann im Garten gesehen hatte,
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