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Eine Socke voller Liebe

Eine Socke voller Liebe

Titel: Eine Socke voller Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Beer
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Ankündigung führte die
beiden direkt in den Frühstücksraum eines gepflegten, kleinen Hotels.
    Nach drei Tassen Kaffee, frisch gepresstem Orangensaft und
mehreren Scheiben knusprigen Toastbrots, dick mit Butter und Marmelade
bestrichen, pilgerten sie emotionsgeladen auf ihrer letzten Etappe weiter.
    Die Morgensonne schien angenehm warm auf ihre Rücken.
    Auch auf diesen letzten Kilometern zeigte sich der leicht
hügelige Camino noch einmal von seiner ruhigen, ländlichen Seite. Wie gestern,
gab es auch hier Eukalyptuswälder und kleine Siedlungen mit blühenden
Hortensien- und Oleanderbüschen, Palmen und Kakteen.
    Heute machten sie öfter als sonst eine kurze Pause.
    „Ich denke ständig daran, dass dies unser letzter großer
Wandertag ist“, sagte Sabine versonnen.
    „Ich auch. Und deshalb habe ich das Gefühl, ich müsste alles
besonders intensiv in mich aufnehmen.“
    „Es ist schon komisch, nach so einer langen Zeit das Ziel vor
Augen zu haben.“ Sabine blickte auf ihre Armbanduhr. „Wenn wir unser Tempo
beibehalten, sind wir um halb eins auf dem Monte de Gozo. Dort könnten wir uns
noch eine etwas längere Pause gönnen und den Blick auf Santiago genießen, bevor
wir dann in die Stadt hinunter laufen.“
    Der morgendliche Elan war irgendwann wieder verflogen, und
sie schleppten sich müde bergauf durch das leicht besiedelte Gebiet. Auf einer
Hochebene kamen sie an den Fernsehstationen von Santiago vorbei.
    „Die Zivilisation holt uns langsam aber sicher wieder ein“,
stellte Andrea fest.
    „Ja, leider, leider“, bedauerte Sabine.
    Der Monte de Gozo war der letzte Anstieg vor Santiago de
Compostela. Laut Wanderführer sind hier Millionen von Freudenseufzern im Laufe
der tausendjährigen Pilgergeschichte ausgestoßen worden. „Ungezählt die Momente
des höchsten Genusses beim ersten Anblick der Türme der Kathedrale von
Santiago“, so hieß es da wörtlich.
    Tja, das war aber wohl schon lange her. Von den Türmen der
Kathedrale war weit und breit nichts zu sehen. Stattdessen Baukräne und
Hochhäuser. Selbst mit der allergrößten Anstrengung konnten sie nicht einen
einzigen Kirchturm erblicken.
    Sabine und Andrea hockten sich vor das riesige Papstdenkmal,
das hier auf dem Berg errichtet worden war und an die Papstbesuche seit 1993
erinnerte.
    „Also muss die Welt auf unsere Freudenseufzer verzichten“,
lamentierte Andrea und Sabine fügte theatralisch hinzu, „so ein Pech aber auch!
Wie gerne hätte ich so richtig laut gestöhnt.“
    „Also komm‘, gönnen wir uns eine kalte Cola dort drüben an
dem Kiosk und gehen dann runter in die Stadt.“
    „Dann hat die letzte Stunde für uns geschlagen! Mein Gott,
was ist mir komisch bei diesem Gedanken. Meine Gefühle sind total gespalten.
Einerseits bin ich froh, diesen langen Weg beenden zu können, auf der anderen
Seite will ich nicht ankommen.“
    „Ein bisschen seltsam ist mir auch zumute“, gab Andrea zu.
    Der Abstieg in die vielgepriesene Stadt war ziemlich unschön.
    Unterhalb des Papstdenkmals lag die Pilgerherberge und
gigantische Ferienanlage Monte do Gozo. Die flachen Betonbauten waren
eingezäunt und ließen nur durch schmale Ritzen neugierige Blicke zu. Betonwege
und Bungalows, ohne Grün. Eine ziemlich trostlose Betonwüste, die allerdings
ihrem Ruf als zweckmäßige, saubere und preiswerte Pilgerunterkunft Genüge zu
tun schien.
    Sabine und Andrea liefen weiter auf dem mit Muscheln
gekennzeichneten Weg, überquerten große Umgehungsstraßen, eine Autobahn und
Bahngleise, kamen durch eine Siedlung mit riesigen Wohnblocks und gingen an
einer vierspurigen modernen Geschäftsstraße entlang. Überall herrschten Betrieb
und Hektik. Etwas, das ihnen in den vergangenen fünf Wochen fremd geworden war.
    Die Luft vibrierte. Es roch nach Autoabgasen und Pizza, Teer
und Kaffee, Staub und Farbe, Frittierfett und Fisch.
    Büroleute hetzten, Urlauber schlenderten, Radios spielten,
Autos hupten, Kinder rannten, Mütter riefen, Krankenwagensirenen heulten, Hunde
bellten, Kellner servierten, Autotüren knallten und Bremsen quietschten. Den
beiden Freundinnen dröhnte der Kopf. Wortkarg und leicht genervt flüchteten sie
von einer Muschelmarkierung zur nächsten.
    „Ich fühle mich wie ein Alien“, beschrieb Sabine ihre
Gefühle.
    „Ich glaube auch, dass wir von einem anderen Stern kommen“,
stimmte Andrea ihr zu.
    Fast eine Stunde lang liefen sie so nebeneinander her, bis
die Häuser älter und die Straßen schmaler wurden.
    Unzählig viele

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