Eine Spur von Lavendel (German Edition)
sie?“
„Mama ist oben in ihrem Schlafzimmer.“
„Schläft sie?“
„Ich habe keine Ahnung.“
„Hör zu, Charlie. Tu mir einen Gefallen und setz einen schönen, starken Kaffee für mich und deine Mutter auf und dann lass mich mit ihr allein, okay?“
Charlotte legte lächelnd zwei Finger an ihre Schläfe. „Okay, du bist der Boss, Alexander Hellberg.“
Die Tür zu Lindas Schlafzimmer stand halb offen. Schon vom oberen Flur aus konnte er sie sehen. Mit schwarzen Leggings und einem überdimensionalen weißen T-Shirt bekleidet lag sie regungslos auf ihrem Bett und starrte hinauf zur Zimmerdecke. In seinem Magen war plötzlich die Hölle los, und er stieß einen stillen Fluch aus, doch dann klopfte er zaghaft an die offene Tür und trat im gleichen Atemzug ein. Sie schnellte hoch, als sie ihn sah, und ihre Augen weiteten sich. „Alexander!“
„Guten Tag, Linda.“
Da sie sich nicht weiter bewegte, machte er die paar Schritte auf das Bett zu und zog sich einen Stuhl heran, der vor einem antiken Sekretär vor dem Fenster stand. Nachdem er sich hingesetzt hatte, sah er direkt in ihr bleiches, schmales Gesicht. Ihr Anblick brach ihm fast das Herz. Die Lider waren dick geschwollen, und unter ihren Augen stachen dunkle Ringe hervor. Dessen ungeachtet fand er sie wunderschön.
„Warum bist du hier?“
„Gute Frage.“
„Haben sie dich geschickt, um mich zu verhaften?“
Er schüttelte peinlich berührt den Kopf. „Nein, Linda, umehrlich zu sein, ich bin nur hier, weil ich wissen wollte, ob es dir wirklich so schlecht geht, wie deine Tochter es mir beschrieben hat.“
„Charlotte? Du hast mit Charlotte gesprochen?“
„Besser gesagt, sie hat mit mir gesprochen. Sie kam heute in mein Büro.“
Linda ließ sich zurück auf ihr Kopfkissen sinken. „Und? Gefällt dir, was du siehst, oder bist du sehr enttäuscht?“
„Linda, bitte! Du machst es uns beiden unnötig schwer.“
Sie legte den Kopf auf die Seite und starrte ihn mit ihren goldenen, seltsam matten Augen an. Deutlich erkannte Alexander die übergroße Müdigkeit in ihnen.
„Ich mache es uns schwer? Ich, Alex?“
Er glitt ab. Er spürte genau, dass er abglitt, wenn sie ihn so ansah. Abrupt stand er auf und trat einen Schritt zurück. „Steh auf, Linda. Deine Tochter hat uns Kaffee gekocht. Ich werde dir unten etwas zu essen machen. Du musst dringend etwas Vernünftiges zu dir nehmen, damit du wieder zu Kräften kommst.“
Linda erhob sich tatsächlich, langsam und schleppend zwar, aber sie tat es. Wieder erschrak er insgeheim über das sichtbare Ausmaß ihrer Erschöpfung.
„Tut mir leid, Alex! Ich werde nicht wie in alten Zeiten Kaffee mit dir in meiner Küche trinken! Nein, das werde ich ganz bestimmt nicht tun!“ Sie wurde noch eine Spur bleicher, und unvermittelt sackten ihre Beine weg.
Instinktiv griff er nach ihr und hielt sie fest, ließ sie dann aber sofort auf das Bett zurückgleiten, um den direkten Körperkontakt schnell wieder zu beenden. „Leg dich wieder hin, ich werde einfach alles hierher nach oben bringen, was wir brauchen.“
„Ich will nicht, dass du irgendetwas für mich tust, Alexander.“
Noch einmal drehte er sich zu ihr um und sah ihr fest in die Augen. „Aber ich will es.“
Auf dem Küchentresen fand er einen Zettel von Charlotte, auf dem sie ihm mitteilte, dass sie zu ihrer Oma fahren würde. Alexander ging hinüber zum Wandtelefon, schlug das Telefonregisterauf, das praktischerweise direkt daneben auf einer kleinen Anrichte lag, und wählte schließlich die Nummer von Anneliese Michaelsen. Sofort nach dem ersten Läuten meldete sie sich.
„Anneliese, ich bin es.“
„Hallo, Alexander, Charlotte und ich haben vor einigen Minuten miteinander telefoniert. Sie wird auf ihren eigenen Wunsch hin zwei oder drei Tage bei mir bleiben. Sie hat vorhin schon alles Nötige eingepackt und ist jetzt auf dem Weg hierher.“
„Was ist mit der Schule?“
„Gestern haben doch die Sommerferien begonnen.“
„Ach ja, entschuldige. Ich bin da nicht so auf dem neuesten Stand.“ Automatisch dachte er an den Streit zwischen Charlotte und ihrer Mutter wegen des Fluges nach Florida. Wahrscheinlich war Charlottes beste Freundin Sandra bereits unterwegs in die Sonne.
„Alexander, ich bin so froh, dass du bei ihr bist. Linda ist … Sie braucht dich jetzt. Hilf ihr!“
Er schluckte. Anneliese Michaelsen schien wirklich viel von ihrer Schwiegertochter zu halten. Immer wieder hatte er das bemerkt. Diese tapfere
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