Eine Spur von Lavendel (German Edition)
Bierflasche ein Stück von sich weg. „Ich bin überhaupt nicht müde. Ganz im Gegenteil. Ich fühle mich eher wie aufgezogen. Fang an. Gibt’s Probleme mit Charlie?“
„Nein, nicht mit Charlotte … Alex, ich kann hier einfach nicht länger so tatenlos herumsitzen. Ich muss etwas tun. Arbeit, meine ich. Echte Arbeit! Den Lebensunterhalt verdienen, du weißt schon.“
„Du hast doch die Villa deiner Eltern für ein richtiges Vermögen verscherbelt. Ich dachte, du hast noch so viel übrig von all dem Zaster.“
Sie kam wieder an den Tisch zurück und setzte sich ihm gegenüber. Behutsam verschränkte sie ihre Hände mit seinen.
Vielleicht war es nur diese sanfte, fast beschwichtigend wirkende Geste, die irgendetwas in seinem Kopf in Alarmbereitschaft versetzte. Möglicherweise war es auch sein Gespür für gewisse Schwingungen. Jedenfalls hatte Alexander für einen winzigen Augenblick das sichere Gefühl, dass in den nächsten Minuten etwas Unangenehmes auf ihn zukommen würde. Doch so schnell, wie diese Empfindung aufgetaucht war, verschwand sie auch wieder. Innerlich schüttelte er sich kurz. Ich habe einen verflucht anstrengenden Tag hinter mir und bin einfach ein bisschen überarbeitet, dachte er.
„Das Geld würde wohl noch eine ganze Weile reichen, aber sicherlich nicht für immer, Alex“, fuhr Linda fort. „Außerdem ist da noch Charlotte. Irgendwie habe ich plötzlich das Bedürfnis, uns endlich ein eigenes Leben aufzubauen. Ein Leben, für das ich verantwortlich sein kann. Und das Haus hier war eben nur der Anfang.“
Linda hatte ihm erzählt, dass sie Frank direkt nach ihrem Abitur geheiratet hatte. Bis auf eine kurze Aushilfstätigkeit in einer kleinen Boutique hatte sie nie gearbeitet. Frank war immer dagegen gewesen. Das von ihr angestrebte Jurastudium war ebenfalls seinem Unwillen zum Opfer gefallen. Linda hatte sich den Wünschen ihres Mannes gefügt und war Hausfrau und Mutter geblieben.
Obwohl Alexander normalerweise froh und erleichtert darüber war, wie intensiv sie derzeit darum kämpfte, ihre Selbstständigkeit und ein gesundes Selbstwertgefühl zurückzuerobern, sah er sie jetzt besorgt an. Sacht streichelte er mit den Daumen über ihre Handrücken. „Ich will dich ja nicht verunsichern, Linda, aber du … du hast keinen Beruf, und du bist fast fünfunddreißig. Was willst du also tun?“
Ihre Schultern strafften sich deutlich, und ihre Augen wurden eine Nuance heller. „Genau darüber wollte ich mit dir reden. Du weißt doch, dass ich noch einige Sachen aus der Villa eingelagert habe. Es sind teilweise Einrichtungsgegenstände wie Bilder, Lampen, zwei kleine Kommoden und so weiter. Aber auch Kristall, Geschirr und eine ganze Menge Nippes sind dabei. Meine Familie lebte seit über hundertfünfzig Jahren in dem alten Bunker. Da sammelt sich so einiges an. Was hältst du … was hältst du also davon, wenn ich einen kleinen Laden aufmache? So ein Geschäft, wo man Geschenke aller Art, aber eben auch erlesene kleine Stücke ergattern kann? Einen gewissen Grundstock der Waren hätte ich mit den Sachen, die zurzeit im Lagerhaus herumstehen. Was den Rest betrifft – einfachere Dinge könnte ich ganz normal bei den Zulieferfirmen einkaufen, wie andere Geschenkartikelläden es auch tun, aber mein Hauptaugenmerk und Interesse würde sich eben auf diese besonderen und antiken Stücke richten.“
Alexander lächelte über ihre Begeisterung. „Deine Idee ist gut, Linda. Sehr gut, aber wie willst du deinen Standard halten? Irgendwann dürfte dein Kontingent aus dem Lagerhaus ja wohl erschöpft sein, oder?“
„Auch darüber habe ich schon nachgedacht. Ich habe immergroßes Interesse an Antiquitäten und Kunst gehabt, also habe ich mich in meiner freien Zeit auch viel damit beschäftigt.“
Sie reckte ihr Kinn in die Höhe. „Ich habe nicht nur einen guten Geschmack, sondern ich weiß auch viel über diese Dinge. Es fällt mir nicht sehr schwer, zu erkennen, ob eine Porzellanfigurine aus dem achtzehnten Jahrhundert stammt oder direkt aus einer Fabrik in China kommt, die Massenware herstellt. Es gibt so viele Möglichkeiten, Alex. Ich könnte dann und wann Auktionen besuchen oder mich an Wohnungsauflösungen beteiligen. Selbst auf Flohmärkten findet sich immer mal wieder ein schönes Stück. Man muss nur die Augen offen halten. Ich will mir ja nicht anmaßen, superwertvolle Antiquitäten professionell zu bewerten, sondern einfach nur schöne alte Stücke entdecken und sie dann an Leute
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