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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Nacht.«
    Nichtsdestotrotz fand sie sich am kommenden Nachmittag gegen fünf vor dem Haus der Furnivals wieder. Das blaugraue, äußerst schlichte Kleid – von Tulpenärmeln und Stickerei keine Spur verlieh ihr den Anschein, als käme sie in der Tat geradewegs vom Dienst bei Miss Nightingale. Sie schluckte ihren Stolz und ihre Nervosität hinunter, redete sich ein, daß es einem guten Zweck diente, und klopfte an Louisa Furnivals Tür. Sie hoffte inständig, vom Mädchen zu erfahren, daß seine Dienstherrin nicht zugegen sei.
    Dieses Glück blieb ihr leider versagt. Man bat sie, einen Moment in der Halle zu warten, während das Mädchen ihren Namen und den Grund ihres Besuchs melden ging. Sie hatte kaum Zeit, die vielen Türen sowie das schöngeschwungene Geländer zu begutachten, das sich an der Galerie entlang und die Treppe hinunter wand. Die Ritterrüstung stand wieder an ihrem ursprünglichen Platz, wenn auch ohne Hellebarde. Alexandra mußte mit dem General auf dem oberen Treppenabsatz gestanden – vielleicht in Schweigen, vielleicht in einen letzten, erbitterten Streit vertieft –, dann einen plötzlichen Satz vorwärts gemacht und ihn in die Tiefe gestoßen haben. Sein Aufprall hatte zweifellos einen Heidenradau verursacht. Wie konnte einem das nur entgangen sein?
    Auf dem Boden lag ein hochfloriger, heller chinesischer Läufer. Bis zu einem gewissen Grad hätte er den Lärm sicher gedämpft. Und doch…
    Weiter kam sie nicht. Das Mädchen kehrte zurück und verkündete, Mrs. Furnival lasse bitten. Dann wurde sie durch einen langen Flur in den hinteren Teil des Hauses zu dem Salon mit Gartenblick geführt.
    Den sonnenbeschienenen Rasen und das Meer von blühenden Sträuchern hinter den Terrassentüren nahm sie nicht weiter zur Kenntnis. Ihre gesamte Aufmerksamkeit galt der Frau, die sie bereits mit unverhohlener Neugier erwartete. Hester wurde augenblicklich klar, daß Louisa sie aus reiner Langeweile empfing.
    »Guten Tag, Miss Latterly. Sie sind vom Florence Nightingale Hospital? Wie faszinierend. Nun – was kann ich für Sie tun?«
    Hester musterte sie mit demselben Interesse. Ihr blieben womöglich nur wenige Minuten, bis man sie wieder hinausbeförderte. Die Frau, die ihr gegenüber am Kamin stand, trug eine gewaltige Krinoline, die ihre äußerst weiblichen Rundungen geschickt betonte. Das Kleid darüber entsprach dem allerletzten Schrei: Es hatte ein plissiertes Oberteil, war eng tailliert und mit geblümten Borten abgesetzt. Mit ihrer lohfarbenen Haut und der Wolke glänzenden, dunklen Haars wirkte sie sinnlich und zerbrechlich zugleich. Obwohl der Rock etwas weiter geschnitten war, als die Mode es momentan verlangte, war an ihrer Aufmachung nicht das geringste auszusetzen. Sie gehörte offenbar zu den wenigen Frauen, die es schafften, einen eigenen Stil zu kreieren und als den einzig richtigen erscheinen zu lassen, so daß alles andere daneben gewöhnlich und phantasielos wirkte. Louisa Furnival verströmte eine Selbstsicherheit, dank der Hester sich bereits außerordentlich schäbig, unweiblich und dumm vorkam. Sie verstand völlig, weshalb Alexandra Carlyon davon ausgegangen war, daß man ihr das Märchen von der rasenden Eifersucht anstandslos abkaufen würde. Es mußte schon dutzendfach vorgekommen sein, was immer auch in Wirklichkeit hinter dem Geplänkel gesteckt haben mochte.
    Hester änderte ihren Schlachtplan. Sie war entsetzt, als sie hörte, wie wichtigtuerisch und verlogen ihre eigene Stimme klang. Etwas an Louisas überheblicher Art provozierte sie sehr.
    »Die Erfahrungen auf der Krim haben uns gelehrt, daß gute Krankenpflege maßgeblich zur Rettung Verwundeter beitragen kann«, verkündete sie forsch. »Das dürfte Ihnen vermutlich nichts Neues sein.« Sie riß unschuldsvoll die Augen auf. »Aber vielleicht hatten Sie noch keine Gelegenheit, sich näher mit dem Thema zu befassen. Miss Nightingale, wie Sie zweifellos wissen, stammt aus einer sehr guten Familie. Ihr Vater ist ein allgemein bekannter, angesehener Mann, sie selbst überaus gebildet. Sie hat den Beruf der Krankenschwester gewählt, weil er ihr die Möglichkeit gibt, ihr Leben und ihre Begabung in den Dienst am Menschen zu stellen…«
    »Wir sind uns wohl alle einig, daß sie eine herausragende Persönlichkeit ist, Miss Latterly«, fiel Louisa ihr ungeduldig ins Wort. Lobgesänge auf andere Frauen sagten ihr ganz und gar nicht zu. »Aber was hat das mit Ihnen beziehungsweise mit mir zu tun?«
    »Ich werde sofort auf

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