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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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den Punkt kommen.« Hester musterte ihre schrägstehenden, länglichen Augen, entdeckte die darin lodernde Intelligenz. Sie für eine dumme Gans zu halten, nur weil sie gern flirtete, wäre ein gewaltiger Fehler. »Wenn aus der Krankenpflege die lebensrettende Institution werden soll, die sie sein könnte, müssen wir mehr wohlerzogene und gebildete junge Frauen dafür gewinnen.«
    Louisa stieß ein sanft dahinplätscherndes, gedämpftes Lachen aus, das zwar echter Erheiterung entsprang, im Lauf der Jahre jedoch so einstudiert worden war, daß es exakt die richtige Wirkung erzielte. Hätte ein Mann diese Laute gehört, wäre sie ihm jetzt vermutlich wild, exotisch, faszinierend und geheimnisvoll vorgekommen – samt und sonders Eigenschaften, die Hester nicht hatte. Mit aufkeimenden Selbstzweifeln fragte sie sich, was Oliver Rathbone wohl von ihr halten würde.
    »Ich muß schon sagen, Miss Latterly! Sie glauben doch nicht ernsthaft, ich könnte mich für eine Laufbahn als Krankenschwester interessieren? Das ist doch albern. Ich bin eine verheiratete Frau!«
    Mühsam kämpfte Hester ihre Wut nieder. Für diese Frau eine Antipathie zu empfinden war alles andere als schwer.
    »Selbstverständlich dachte ich dabei nicht an Sie.« Wie gern hätte sie ihrer Überzeugung Luft verschafft, daß Louisa für diesen oder ähnliche Berufe wahrscheinlich weder den Mut und die Tauglichkeit noch die nötige Selbstlosigkeit und das Durchhaltevermögen mitbrachte. Doch das war nicht der rechte Zeitpunkt. Sie würde nur ihrer eigenen Sache schaden. »Aber Sie sind der Typ Frau, an dem sich andere gern ein Beispiel nehmen.« Bei diesen Worten wand sie sich innerlich. Die Schöntuerei stank zum Himmel, auch wenn Louisa sie nicht für übertrieben zu halten schien.
    »Wie freundlich von Ihnen«, sagte sie lächelnd, ohne Hester aus den Augen zu lassen.
    »Den Worten einer Frau, die sowohl gut bekannt ist als auch allgemein…«, Hester zögerte, »… allgemein beneidet wird, würde bestimmt mehr Gewicht beigemessen, als denen der meisten anderen Leute.« Sie starrte standhaft in Louisas haselnußbraune Augen. Was sie jetzt sagte, war die Wahrheit, und die würde sie jeden wissen lassen. »Wenn Sie öffentlich verbreiten, daß die Krankenpflege in Ihren Augen eine ausgezeichnete, in keiner Weise unweibliche oder herabwürdigende Tätigkeit für eine junge Frau ist, würden sich sicherlich mehr Interessierte, die momentan noch zögern, dafür entscheiden. Es sind nur Worte, Mrs. Furnival, aber sie könnten den entscheidenden Ausschlag geben.«
    »Sie sind sehr überzeugend, Miss Latterly.« Louisa entschwebte anmutig und arrogant zum Fenster, wobei sie ihre Röcke schwang, als befände sie sich draußen auf weiter Flur. Sie mochte vielleicht die Kokette spielen, aber Hester hielt sie weder für gefügig noch unterwürfig. Sollte sie diesen Eindruck je erwecken, war er garantiert nur von kurzer Dauer und diente einem ganz bestimmten Zweck.
    Hester blieb, wo sie war, und schaute ihr schweigend zu. Louisas Blick wanderte über die in Sonnenschein getauchte Rasenfläche. Das helle Tageslicht auf ihrem Gesicht enthüllte zwar noch keine Falten, brachte jedoch eine Härte in ihren Zügen zum Vorschein, die ihr noch nicht aufgefallen sein konnte, denn sonst hätte sie sich niemals so hingestellt. Um ihre schmale Oberlippe spielte ein niederträchtiger Zug.
    »Ich soll also in meinen Kreisen verbreiten, daß ich den Beruf der Krankenschwester bewundere und ihn möglicherweise selbst ergriffen hätte, wäre ich nicht verheiratet?« fragte sie. Die Skurrilität des Gedankens machte ihr sichtlich Spaß.
    »Genau«, bestätigte Hester. »Aus naheliegenden Gründen kann niemand von Ihnen erwarten, daß Sie Ihrer Behauptung Taten folgen lassen. Sie müssen lediglich Ihre Unterstützung anbieten.« Ein Lächeln kräuselte Louisas Lippen. »Und Sie meinen, man würde mir glauben, Miss Latterly? Mir scheint, Sie halten die Leute für etwas naiv.«
    »Passiert es Ihnen oft, daß man Ihnen nicht glaubt?« fragte Hester so höflich wie möglich in Anbetracht der vielfältigen Arten und Weisen, es auszudrücken. Das Lächeln wurde hart.
    »Nein. Ich kann mich nicht erinnern, daß das jemals der Fall war. Aber ich habe auch noch nie behauptet, daß ich den Beruf der Krankenschwester bewundere.«
    Hester hob die Brauen. »Auch nichts anderes, das eine – eine leichte Abwandlung der Wahrheit war?« Louisa wandte sich zu ihr um.
    »Seien Sie nicht so

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