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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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etwaige neue Erkenntnisse über den Charakter der Betroffenen. Thaddeus Carlyon war ein Idol gewesen. Daß er unter solchen Umständen ermordet worden war, schockierte die Leute zutiefst. Es mußte eine Erklärung geben, die ihre Überzeugungen wieder ins Lot brachte.
    Hester wurde ein weiteres Mal zum Essen zu den Carlyons gebeten. Nicht weil sie als enge Freundin der Familie betrachtet wurde, die man auch in so schweren Zeiten gern sah, sondern weil sie es gewesen war, die Oliver Rathbone empfohlen hatte. Man wollte mehr über ihn erfahren, insbesondere wie er die Verteidigung aufzubauen gedachte.
    Die Stimmung bei Tisch war von Unbehagen geprägt. Hester hatte die Einladung angenommen, obwohl sie nichts Neues über Rathbone zu berichten hatte. Sie konnte sich lediglich auf seine Integrität und seine früheren Erfolge berufen, die zumindest Peverell bereits bekannt sein durften. Doch sie hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, vielleicht eine winzige Spur zu entdecken, die sie in Verbindung mit den restlichen Fakten zum wahren Motiv für den Mord führen würde. Mußte nicht alles, was sie über den General erfuhr, irgendwie von Nutzen sein?
    »Ich wünschte, ich wüßte mehr über diesen Rathbone«, sagte Randolf verdrießlich und starrte die Tafel entlang, ohne jemanden Speziellen anzusehen. »Wer ist er? Woher kommt er?«
    »Was in aller Welt spielt das für eine Rolle, Papa?« fragte Edith verständnislos. »Er ist der beste Anwalt, den es gibt. Wenn jemand Alexandra helfen kann, dann er.«
    »Alexandra helfen!« schnaubte er verächtlich, die Brauen unheilvoll zusammengezogen. »Mein liebes Kind, Alexandra hat deinen Bruder aus der verrückten Vorstellung heraus ermordet, er hätte eine Liebesbeziehung zu einer anderen Frau gehabt. Wäre dem tatsächlich so gewesen, hätte sie es wie eine Dame hinnehmen und Stillschweigen bewahren sollen. Wie wir jedoch alle wissen, beruhte diese Ausnahme lediglich auf ihrer Einbildung.« Seine Stimme klang gramgebeugt. »Nichts auf der Welt schickt sich weniger für eine Frau als Eifersucht. Das ist schon vielen zum Verhängnis geworden, die ansonsten einen mehr als annehmbaren Charakter hatten. Daß sie es bis zum Extrem getrieben und einen der prächtigsten Männer seiner Generation getötet hat, ist eine komplette Tragödie.«
    »Wir müssen unbedingt wissen«, sagte Felicia leise, »welche Andeutungen und Anspielungen er voraussichtlich machen wird, um sie zu verteidigen.« Sie wandte sich an Hester. »Sie sind mit dem Mann vertraut, Miss Latterly.« Dann fing sie Damaris’ Blick auf und meinte steif: »Ich bitte vielmals um Vergebung. Vertraut war etwas unglücklich formuliert. So war es nicht gemeint.« Ihr Blick war kalt und direkt. »Sie sind hinreichend mit ihm bekannt, um ihn uns empfohlen zu haben. Bis zu welchem Grad können Sie für seinen… seinen sittlichen Anstand garantieren? Können Sie uns versichern, daß er unseren Sohn nicht verleumden wird, um eine vermeintliche Rechtfertigung für Alexandras Tat zu bieten?«
    Hester war verblüfft. Damit hatte sie zwar nicht gerechnet, doch nach kurzer Überlegung verstand sie ihre Besorgnis. Die Frage war nicht dumm.
    »Ich bin in keiner Weise für sein Verhalten verantwortlich«, gab sie ernst zurück. »Nicht einer von uns hier hat ihn engagiert, sondern Alexandra selbst.« Sie war sich Felicias Kummer deutlich bewußt. Die Tatsache, daß sie diese Frau nicht mochte, trübte weder ihr Wahrnehmungsvermögen, noch schmälerte es ihr Mitleid. »Aber einen unbelegbaren Vorwurf gegen den General zu erheben, wäre nicht in ihrem Interesse«, fuhr sie fort.
    »Es würde die Geschworenen vermutlich nur gegen sie einnehmen. Selbst wenn der General ein ganz gemeiner, rücksichtsloser, brutaler und widerwärtiger Mensch gewesen wäre, hätte es wenig Sinn, das vorzubringen. Sofern er weder ihr Leben noch das ihres Kindes bedroht hat, würde es niemals als Entschuldigung akzeptiert.«
    Felicia ließ sich erleichtert zurücksinken.
    »Das ist gut – und in Anbetracht der Umstände wohl alles, worauf wir hoffen können. Wenn er nur einen Funken Verstand besitzt, wird er auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren und sie der Gnade des Gerichts überlassen.« Felicia schluckte mühsam, wodurch sich ihr Kinn ein wenig hob; ihre tiefblauen Augen waren ins Leere gerichtet. »Thaddeus war ein rücksichtsvoller Mann, ein Gentleman in jeder Beziehung.« Ihre Stimme war vor Ergriffenheit rauh. »Nie hat er die Hand gegen sie erhoben, nicht

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