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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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unergründlichen Rätsel, das sie ihm aufgab.
    Am folgenden Tag fuhr er in die Vere Street, um Rathbone von seiner Unterredung im Gefängnis sowie seinen neuen Vermutungen zu berichten. Rathbone zeigte sich zunächst überrascht und dann, nach kurzem Überlegen, optimistischer als seit langem. Diese Variante ergab zumindest einen gewissen Sinn.
    Abends in seiner Pension öffnete Monk den zweiten Packen Unterlagen, den Evan ihm gegeben hatte, und sah ihn durch. Bei diesem Fall ging es um eine Frau namens Phyllis Dexter aus Shrewsbury, die ihren Mann erstochen haben sollte. Die hiesige Polizei hatte bei der Klärung des Tatbestands keinerlei Probleme gehabt. Adam Dexter war ein Riese von einem Mann, schwerer Trinker und dafür bekannt, daß er ab und an in eine Schlägerei geriet, doch war niemandem je zu Ohren gekommen, daß er seine Frau verprügelt oder unsanfter behandelt hätte als die meisten Männer ihre Frauen. Auf seine Weise schien er sogar ganz verrückt nach ihr zu sein.
    Nach seinem Tod hatte die Polizei sich den Kopf zerbrochen, wie sie den Nachweis führen sollte, daß Phyllis die Wahrheit sprach oder auch nicht. Als sie aller Bemühungen zum Trotz nach einer Woche nicht klüger waren als zuvor, riefen sie nach Scotland Yard. Runcorn hatte Monk entsandt.
    Aus den Notizen ging eindeutig hervor, daß Monk Phyllis, die unmittelbaren Nachbarn, die Zeugen eines Streits oder einer Drohung hätten gewesen sein können, den Arzt, der den Totenschein ausgestellt hatte, sowie selbstverständlich die Ortspolizei eingehend befragt hatte.
    Er war offenbar drei Wochen in Shrewsbury geblieben und hatte unerbittlich immer wieder die gleichen Fragen gestellt, bis er schließlich hier eine Schwäche, dort eine veränderte Betonung, die Möglichkeit einer anderen Interpretation oder den Fetzen eines neuen Beweises entdeckt hatte. Runcorn hatte ihn abberufen; alles deute auf Phyllis’ Schuld hin, die Gerechtigkeit solle endlich ihren Lauf nehmen, doch Monk hatte sich widersetzt und war geblieben. Schließlich hatte er anhand von äußerst heiklen Beweisen die Wahrheit zusammengestückelt: Phyllis Dexter hat drei Fehl und zwei Totgeburten hinter sich und sich der liebevollen Zuwendung ihres Mannes zu guter Letzt verweigert, da sie die ihr dadurch erwachsenen Qualen nicht länger verkraften konnte. Als hätte sie ihn und nicht ihre Pein abgelehnt, hatte er in volltrunkenem, zornentbranntem Zustand versucht, sie zu ihrem Glück zu zwingen. Seine Raserei hatte ihn so weit getrieben, mit einem abgebrochenen Flaschenhals auf sie loszugehen, woraufhin sie sich mit dem Tranchiermesser zur Wehr gesetzt hatte. Dank seines benebelten Zustands zog er in dem Blitzgefecht den kürzeren und lag bereits wenige Minuten nach seiner ersten Attacke tot auf dem Boden, das Messer in seiner Brust, die abgebrochene Flasche in tausend Scherben zerborsten um ihn herum.
    Wie der Fall ausgegangen war, ging aus den Unterlagen nicht hervor. Es wurde mit keinem Wort erwähnt, ob die Polizei in Shrewsbury Monks Schlußfolgerungen akzeptiert hatte oder wie das Urteil ausgefallen war.
    Monk blieb nichts anderes übrig, als eine Fahrkarte zu lösen und sich in den Zug zu setzen. Auch wenn der Fall andernorts in Vergessenheit geraten war – dort erinnerte man sich bestimmt.
    Am späten Nachmittag des dreizehnten Juni kam er in dem in gleißendes Sonnenlicht getauchten Bahnhof an und bahnte sich durch die schmalen, mit wunderschönen Fachwerkhäusern gesäumten Gäßchen der altertümlichen Stadt seinen Weg zum Polizeirevier.
    Die freundliche, hilfsbereite Miene des Wachtmeisters am Empfangsschalter nahm schlagartig einen defensiven, vorsichtigen Ausdruck an. Monk wußte, daß man ihn wiedererkannt hatte, und das nicht mit allzugroßer Freude. Er spürte, wie etwas in ihm hart wurde, doch er konnte sich unmöglich rechtfertigen, da er keine Ahnung hatte, wofür. Wer hier vor vier Jahren etwas verbrochen hatte, war ein Fremder mit seinem Gesicht gewesen.
    »Tja, Mr. Monk, das weiß ich nu ganz sicher nich«, antwortete der Wachtmeister auf seine Anfrage hin. »Der Fall is aus und erledigt. Wir hielten sie alle für schuldig, aber Sie haben das Gegenteil bewiesen! Eigentlich steht’s uns ja nich zu, so was zu sagen, aber ’s is einfach nich richtig, daß ’ne Frau ihren Mann ermordet, weil sie sich in ’n Kopf gesetzt hat, ihm seine natürlichen Rechte zu verweigern. Da könnten die ja auf alle möglichen dummen Gedanken kommen. Würden nur noch rumrennen

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