Eine Spur von Verrat
altes Klappergestell!« Sie begann wieder das Messer zu schwingen. Der Lakai machte einen Satz zurück, strauchelte und verlor das Gleichgewicht. »Hocken den ganzen Tag allein da oben rum und spinnen böse Gedanken«, fuhr die Köchin fort, ohne sich des Dienstbotenauflaufs im Gang bewußt zu sein. »Und dann kommn Se hier runter zu ’n anständigen Leuten und meinen, Sie ham von alles ’ne Ahnung.« Ihr Redefluß war nicht zu bremsen. Edith hätte ebensogut gar nicht da sein können. »Hättn Se bloß vor hundert Jahren gelebt – dann hätt man Se verbrannt, jawoll. Und war Ihnen ganz recht geschehn. Der arme Knirps. Man sollt Se nich in seine Nähe lassn.«
»Sie haben ja keine Ahnung!« brüllte Miss Buchan zurück.
»Genausowenig Ahnung wie Ihre Doppelgänger, die Schweine schnüffeln den ganzen Tag nach was Eßbarem oder Trinkbarem rum. Denken immer nur an Ihren Bauch. Sie wissen gar nichts! Glauben, wenn ein Kind einen vollen Magen hat, geht’s ihm gut. Daß ich nicht lache!« Sie sah sich nach einem werfbaren Gegenstand um, doch da sie auf der Treppe stand, befand sich nichts in erreichbarer Nähe. »Glauben, Sie wissen alles, dabei wissen Sie gar nichts.«
»Still, Buckie!« kreischte jetzt auch Edith. »Genau, Miss Edith«, feuerte die Köchin sie an. »Sagn Se ihr, dasse ihr übles Mundwerk haltn soll! Die solltn Se ganz schnell loswerdn! Sie rauswerfn am besten! Irre, das isse. All die Jahre mit den Kindern andrer Leute hamse durchdrehn lassn. Die is nich gut für den armen Jungen. Hat seinen Vater und seine Mutter verlorn, der arme Knirps, und jetzt musser sich auch noch mit der alten Hexe rumschlagn. Da musser ja verrückt werdn. Wissn Se, wasse ihm erzählt hat? Wissn Se das?«
»Nein – und ich will es auch nicht wissen«, gab Edith schneidend zurück. »Seien Sie endlich ruhig!«
»Solltn Se aber!« Die Augen der Köchin funkelten böse, ihre Frisur war in Auflösung begriffen. »Und wenn’s kein andrer tut, dann tu’ ich’s eben! Hat das arme Kind so verwirrt, dasses sich gar nich mehr auskennt. Erst erzählt ihm die Oma, daß sein Papa tot is und er seine Mama vergessn muß, weilse ’ne Irre is und hängn muß, weilse ’n umgebracht hat. Was, helf uns Gott, die Wahrheit is!«
Der Lakai hatte sich hochgerappelt und rückte von neuem an. Sie stieß ihn wie nebenbei mit dem Handrücken beiseite.
»Dann kommt dieser verhutzelte alte Klappersack daher«, fuhr sie unbeirrt fort, »und erzählt ihm, daß ihn seine Mama unheimlich liebt und dasse gar kein böses Weib is. Was soller denn da noch glaubn?« Ihre Stimme schwoll an. »Weiß ja gar nich mehr, ob er Männchen is oder Weibchen, wer nu gut is und wer böse, kennt sich überhaupt nich mehr aus!« Sie zog ein feuchtes Geschirrtuch aus der Schürzentasche und schleuderte es nach Miss Buchan.
Es schlug in Miss Buchans Brust ein und glitt zu Boden. Sie ignorierte es völlig. Ihr Gesicht war bleich, ihre Augen glitzerten; ihre dünnen, knochigen Hände waren zu Fäusten geballt.
»Sie häßliche, naseweise alte Ziege«, keifte sie zurück. »Sie begreifen gar nichts! Bleiben Sie lieber bei Ihren Töpfen in der Küche, wo Sie hingehören. Das dreckige Geschirr spülen, das können Sie gut. Die Pfannen schrubben, das Gemüse schneiden, Essen, Essen, Essen! Stopfen Sie ihnen ruhig die Mägen voll – ich kümmere mich um ihren Geist.«
»Buckie, was hast du Master Cassian erzählt?« fragte Edith. Miss Buchan wurde leichenblaß. »Nur daß seine Mutter kein schlechter Mensch ist, Miss Edith. Man sollte zu keinem Kind sagen, daß seine Mutter schlecht ist und es nicht liebt.«
»Sie hat seinen Vater abgemurkst, Sie blöde alte Kuh!« gellte die Stimme der Köchin durch den Gang. »Sie werdn se hängn dafür. Wie soller das verstehn, wenner nich denkt, dasse schlecht ist, der arme Knirps?«
»Wir werden sehen«, sagte Miss Buchan. »Sie hat den besten Anwalt der ganzen Stadt. Die Sache ist noch nicht gelaufen.«
»Klar isse das«, verkündete die Köchin siegessicher. »Man wirdse hängn, und das zu Recht. Wo kommn wir denn hin, wenn alle Frauen glaubn, se können jederzeit ihre Männer umbringn und ungeschorn davonkommn?«
»Es gibt Schlimmeres als Mord«, gab Miss Buchan finster zurück. »Und Sie wissen gar nichts.«
»Es reicht jetzt!« Edith ging zwischen die beiden. »Sie kehren sofort in die Küche zurück und machen sich wieder an die Arbeit. Haben Sie mich verstanden?« sagte sie zur Köchin.
»Man solltse ganz schnell
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