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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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kennen Mrs. Furnival bereits seit geraumer Zeit, seit mehreren Jahren sogar?«
    »Ja.«
    »Waren Sie der Ansicht, daß sie eine Affäre mit Ihrem Vater hatte?«
    Der Gerichtssaal hielt gesammelt die Luft an. Endlich kam jemand zum Kern der Sache. Die Aufregung war groß.
    »Nein«, gab Sabella hitzig zurück, doch dann registrierte sie Rathbones Gesichtsausdruck und wiederholte mit etwas mehr Haltung: »Nein, das war ich nicht. Ich habe nie etwas gesehen oder gehört, das mich auf die Idee gebracht hätte.«
    »Hat Ihre Mutter jemals einen derartigen Verdacht geäußert oder gesagt, die Art der Beziehung gäbe ihr Veranlassung zur Sorge?«
    »Nein, nie. Sie hat das Thema nicht einmal angeschnitten.«
    »Nicht einmal?« hakte Rathbone verwundert nach. »Obwohl Sie beide sich sehr nahegestanden haben? Das war doch der Fall, oder?«
    Sabella schaute unverhohlen zur Anklagebank. »Ja. Und es ist immer noch so.«
    »Und sie hat es nie zur Sprache gebracht?«
    »Nein.«
    »Vielen Dank. Keine weiteren Fragen.« Er kehrte lächelnd zu seinem Platz zurück. Lovat-Smith trat vor.
    »Mrs. Pole, haben Sie Ihren Vater getötet?«
    Der Richter hob die Hand, um Sabella am Antworten zu hindern. Er rechnete offensichtlich mit einem Einspruch von seiten der Verteidigung, denn er schaute Rathbone auffordernd an. Die Frage war absolut unzulässig. Zum einen stand sie im aktuellen Prozeß nicht zur Debatte, zum andern sollte Sabella vor der Gefahr gewarnt werden, sich selbst zu belasten.
    Rathbone zuckte die Achseln.
    Der Richter ließ seufzend seine Hand sinken und bedachte Lovat-Smith mit einem strafenden Blick.
    »Sie brauchen die Frage nicht zu beantworten, wenn Sie nicht wollen«, sagte er zu Sabella.
    »Nein, ich habe ihn nicht getötet«, erklärte sie mit brüchiger, kaum hörbarer Stimme.
    »Ich danke Ihnen.« Lovat-Smith neigte befriedigt den Kopf; mehr hatte er nicht gewollt.
    Der Richter lehnte sich vor und sagte freundlich: »Sie dürfen den Zeugenstand verlassen, Mrs. Pole. Das war alles.«
    Sabella stieß ein betroffenes »Oh« aus, als hätte sie sich völlig in ihren Gedanken verloren und den brennenden Wunsch, noch etwas Hilfreiches hinzuzufügen. Widerstrebend stieg sie die Stufen hinab, die letzten beiden mit Unterstützung des Gerichtsdieners, und verschwand in der Menge. Das Licht fing sich einen kurzen Moment in ihrem hellen Haar, dann war sie nicht mehr zu sehen.
    Das Gericht vertagte sich für eine kleine Mittagspause. Monk und Hester entdeckten einen Mann, der einen Sandwichkarren vor sich her schob, erstanden jeder eins, schlangen es hastig hinunter und kehrten auf ihre Plätze zurück.
    Sobald sich das Gericht wieder versammelt hatte und Ruhe eingekehrt war, wurde der nächste Zeuge aufgerufen.
    »Fenton Pole!« rief der Aufsichtsbeamte an der Tür laut und deutlich. »Fenton Pole in den Zeugenstand bitte!«
    Mit unbewegtem Gesicht, die Kiefer in sichtlicher Mißbilligung fest zusammengepreßt, nahm Pole den ihm angewiesenen Platz ein. Er beantwortete Lovat-Smiths Fragen überaus knapp, ließ jedoch keinen Zweifel daran übrig, daß er seine Schwiegermutter für schuldig, wenn auch geistig umnachtet hielt. Alexandra schaute er nicht ein einziges Mal an. Lovat-Smith mußte seine wortreichen Ausführungen, mit denen er die Familie offenbar von jeglicher Verantwortung zu entbinden versuchte, zweimal unterbrechen. Irrsinn sei schließlich eine Krankheit, so meinte er, eine Tragödie, die jeden ereilen könne, folglich dürfe man der Familie nicht die Schuld daran geben. Er machte keinen Hehl daraus, wie zuwider ihm das Ganze war.
    Die Menge kommentierte seine Worte mit verständnisvollem Murmeln, ein Zuschauer äußerte sogar auf recht drastische Weise seine völlige Zustimmung. Als Hester sich jedoch wieder auf die Geschworenen konzentrierte, entdeckte sie zumindest im Gesicht eines Mannes eine gewisse Skepsis und Mißbilligung. Er schien seine Aufgabe sehr ernst zu nehmen. Vermutlich hatte man ihm immer wieder eingebleut, er dürfe sich kein Urteil bilden, ehe die Beweisaufnahme nicht abgeschlossen war, doch sosehr er auch um Unvoreingenommenheit rang – Illoyalität war ihm verhaßt. Er musterte Fenton Pole mit zutiefst ablehnendem Blick, und Hester war vorübergehend aus keinem vernünftigen Grund beruhigt. Es war absurd, und ihr klügeres Ich war sich dessen sehr wohl bewußt, aber es war ein Strohhalm im Wind, ein Zeichen, daß wenigstens einer nicht von vornherein verurteilt hatte.
    Rathbone wollte

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