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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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geheilt war, ihm aber immer noch höllische Schmerzen bereiten konnte. Er nahm fast Haltung an.
    »Guten Tag, Mrs. Sobell. Wie reizend, Sie zu sehen. Hoffentlich geht es Ihnen gut, trotz dieser…« Er brach unvermittelt ab und schaute sie genauer an. »Verzeihen Sie mir die dumme Bemerkung. Selbstverständlich macht Ihnen das alles schwer zu schaffen. Können wir vielleicht irgend etwas für Ihr Wohlbefinden tun? Bitte, setzen Sie sich doch, machen Sie es sich so bequem wie möglich. Sie sind zweifellos gekommen, um mit Miss Latterly zu sprechen. Ich werde mich einstweilen anderweitig beschäftigen.«
    »Nein, nein – bitte, nicht«, protestierte Edith hastig und ein wenig befangen. »Es wäre mir überhaupt nicht recht, wenn Sie das Zimmer meinetwegen verlassen müßten. Ich habe gar nichts Bestimmtes zu sagen. Ich – ich wollte bloß…« Sie errötete merklich. »Ich – ich wollte bloß mal aus dem Haus, weg von der Familie und…«
    »Aber natürlich«, sagte Tiplady schnell. »Sie wollten einfach einmal Ihre Meinung frei äußern dürfen, ohne die Menschen, die Sie lieben, dadurch zu verletzen oder ihnen zu nahe zu treten.«
    Ihr Gesicht strahlte vor Erleichterung. »Sie sind ein ungewöhnlich scharfsichtiger Mensch, Major Tiplady.«
    Nun wurden auch seine Wangen flammendrot. Er wußte nicht, wo er hinsehen sollte.
    »O bitte, setz dich endlich hin«, warf Hester ein, um der Befangenheit ein Ende zu bereiten oder doch zumindest eine Pause herbeizuführen. »Edith!«
    »Vielen Dank«, erwiderte diese kokett, und Hester wurde zum erstenmal in ihrer Bekanntschaft Zeuge, wie sie sich ausgesprochen damenhaft auf der Stuhlkante niederließ und sehr geschickt ihre Röcke um sich herum drapierte. Trotz des Ernsts der Lage sah Hester sich veranlaßt, ein Schmunzeln zu unterdrücken.
    Edith seufzte. »Kannst du mir vielleicht erklären, was vor sich geht, Hester? Ich war noch nie bei einem Prozeß, und ich verstehe es einfach nicht. Mr. Rathbone gilt allgemein als brillanter Strafverteidiger, aber nach dem zu urteilen, was ich so höre, tut er anscheinend überhaupt nichts. Schlimmer könnte ich mich auch nicht anstellen. Bisher hat er uns alle lediglich überzeugt, daß Thaddeus keine Affäre hatte, weder mit Louisa Furnival noch mit sonst wem, und daß Alexandra sich dessen durchaus bewußt war. Wozu, um Himmels willen, soll das gut sein?« Sie verdrehte verständnislos die Augen. Ihr Blick war tief beunruhigt. »Alexandra steht dadurch nur noch schlechter da, denn jetzt hat sie nicht einmal mehr einen Grund, durch den man ihre Tat verstehen, wenn schon nicht verzeihen könnte. Warum tut er das? Sie hat den Mord bereits gestanden, und er ist ihr eindeutig nachgewiesen worden. Er hat es nicht einmal in Frage gestellt, er hat es sogar bestätigt. Warum, Hester? Was hat er vor?«
    Hester hatte ihr nichts von den grauenhaften Entdeckungen erzählt. Sie war nicht sicher, ob sie es jetzt tun sollte oder ob es Rathbones Pläne durchkreuzen würde. Konnte es sein, daß Ediths Loyalität der Familie gegenüber trotz ihres sicher heftigen Zorns so übermächtig war, daß auch sie versuchen würde, die unsägliche Schande geheim zu halten? Würde sie ihr am Ende nicht einmal glauben?
    Hester fehlte der Mut, sie auf die Probe zu stellen. Es war weder ihr Vorrecht, diese Entscheidung zu treffen, noch ihr Leben, das aus den Fugen geraten konnte, noch ihr Kind, dessen Zukunft auf dem Spiel stand.
    Sie setzte sich Edith gegenüber auf einen Stuhl.
    »Ich weiß es nicht«, log sie schweren Herzens, schaute die Freundin an und haßte sich für den Verrat. »Jedenfalls kann ich nur raten, und das wäre sowohl ihm als auch dir gegenüber nicht fair.« Sie merkte, wie Ediths Gesicht sich verhärtete, als hätte man sie geschlagen. »Aber ich bin sicher, daß er eine bestimmte Strategie verfolgt«, fuhr sie hastig fort und nahm am Rande wahr, daß Major Tiplady besorgt zwischen Edith und ihr hin und her blickte.
    »Wirklich?« fragte Edith leise. »Mach mir bitte keine Hoffnungen, wenn kein Grund dafür besteht, Hester. Du tust mir damit keinen Gefallen.«
    Der Major holte Atem, um etwas zu sagen, was sie beide veranlaßte, sich nach ihm umzudrehen. Er überlegte es sich anders und schwieg bedrückt, den Blick unglücklich auf Hester gerichtet.
    »Es besteht Grund zur Hoffnung«, erwiderte diese entschieden.
    »Ich weiß nur nicht, wieviel. Es hängt einzig und allein davon ab, ob man die Geschworenen überzeugen kann, daß…«
    »Daß

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