Eine Spur von Verrat
sehr am Boden ist, um es allein zu schaffen.« Hester hielt inne. »Du würdest natürlich kein Geld dafür bekommen, und das könnte Probleme aufwerfen…«
»Ja, allerdings. Mama würde so etwas nie erlauben. Ich müßte mir eine eigene Unterkunft suchen, und dazu braucht man Geld das ich nicht habe.«
Major Tiplady räusperte sich.
»Interessieren Sie sich immer noch für Afrika, Miss Sobell?« Sie wandte sich mit großen Augen zu ihm um.
»Nach Afrika gehen? Wie sollte ich das anstellen? Ich habe nicht die geringste Ahnung davon. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie ich irgendwem dort helfen könnte. Ich wünschte, es wäre anders!«
»Nein, nein – nicht dort hingehen.« Tipladys Gesicht erstrahlte in leuchtendem Rot. »Ich – äh – nun ja – ich bin mir natürlich nicht sicher…«
Mit leisem Vergnügen weigerte Hester sich standhaft, ihm rettend zu Hilfe zu eilen, obwohl sie genau wußte, was er sagen wollte.
Er warf ihr einen gequälten Blick zu, den sie mit einem sonnigen Lächeln erwiderte. Edith wartete.
»Ahm…« Er räusperte sich noch einmal. »Ich dachte – ich dachte, ich könnte… Also, ich meine, falls es Ihnen wirklich ernst sein sollte, dann… Nun, ich dachte, ich schreibe vielleicht meine Memoiren über die Zeit in Mashonaland, und zu diesem Zweck brauchte ich – äh…«
In Ediths Miene machte sich Verstehen – und Entzücken breit.
»Sie brauchen jemand, der es für Sie niederschreibt! O ja, es wäre mir ein Vergnügen! Ich kann mir gar nichts Schöneres vorstellen! Meine Abenteuer in Mashonaland von Major – Major Tiplady. Wie lautet Ihr Vorname?«
Jetzt wurde er fast violett und sah überall hin, nur nicht ihr in die Augen.
Hester kannte lediglich den ersten Buchstaben, ein H, das war alles. Selbst ihren Einstellungsvertrag hatte er mit einem einfachen H und seinem Nachnamen unterzeichnet.
»Sie brauchen unbedingt einen Namen!« Edith wollte gar nicht mehr lockerlassen. »Ich sehe es schon vor mir, in Saffian oder Kalbsleder gebunden, mit hübschen goldenen Buchstaben darauf. Es wird phantastisch werden! Ich werde meine Aufgabe als Privileg betrachten und jedes einzelne Wort genießen. Es wird fast so schön sein, als ob ich selbst dort hinfahren würde – und das in so reizender Begleitung. Wie lautet Ihr Vorname, Major? Wie sollen wir ihn entwerfen?«
»Hercules«, kam es sehr leise. Sein Blick enthielt die dringende Bitte, nicht in Gelächter auszubrechen.
»Ganz ausgezeichnet«, sagte Edith freundlich. »Meine Abenteuer in Mashonaland von Major Hercules Tiplady. Können wir gleich anfangen, wenn wir diese schreckliche Sache hinter uns haben? Es ist das Beste, was mir seit Jahren passiert ist.«
»Mir auch«, pflichtete Major Tiplady ihr mit immer noch recht roten Wangen bei.
Hester stand auf und ging zur Tür, einerseits um das Mädchen zu bitten, den Lunch für sie anzurichten, andererseits, um ihrer mühsam zurückgehaltenen Erheiterung freien Lauf lassen zu können, ohne jemanden zu kränken. Was jedoch hervorsprudelte, war ein befreites Lachen und ein plötzlicher, strahlender Hoffnungsschimmer, zumindest was Edith und den Major betraf, der ihr im Lauf der Zeit sehr ans Herz gewachsen war. Es war im Moment das einzig Gute, aber dafür war es rundum gut.
11
Monk ging in ähnlich düsterer Stimmung ins Wochenende. Was ihn belastete, war indes nicht ein Mangel an Hoffnung, den dritten Mann zu finden, sondern der Schrecken angesichts der Entdeckung, wer er war. Er hatte Peverell Erskine gemocht, und jetzt schien alles auf ihn hinzudeuten. Warum sonst hätte er einem Kind derart persönliche und nutzlose Geschenke machen sollen? Cassian konnte mit einem Federmesser kaum etwas anfangen, außer daß es hübsch aussah und Peverell gehörte. Das gleiche galt für das seidene Taschentuch. Kinder benutzten oder trugen derlei Sachen nicht; es war ein Andenken. Auch der Uhrenanhänger war für einen achtjährigen Jungen viel zu exklusiv, zudem symbolisierte er Peverells Berufsstand und nicht den der Carlyons. Bei ihnen wäre es vermutlich etwas Militärisches gewesen, ein Regimentswappen zum Beispiel.
Monk hatte Rathbone davon erzählt und festgestellt, daß er ähnlich bekümmert reagierte. Er hatte auch den Stiefelburschen erwähnt, jedoch hinzugefügt, daß kein Beweis für einen sexuellen Übergriff von Seiten General Carlyons existierte. Es sei lediglich die Erklärung, warum er am Abend der Dinnerparty so panisch vor ihm geflohen war. Monk
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