Eine Spur von Verrat
halbwegs taugliche Polizeibeamte gezwungen gesehen hätte, Hermione Ward zu verhaften. Das Belastungsmaterial war erdrückend. Der große Unterschied zwischen ihr und Alexandra Carlyon bestand darin, daß sie von der Tat nur profitieren konnte. Sie brachte ihr die Befreiung von einem tyrannischen Ehemann und den Töchtern ihrer Vorgängerin sowie mindestens die Hälfte seines höchst ansehnlichen Vermögens ein. Wohingegen Alexandra, zumindest oberflächlich betrachtet, alles zu verlieren hatte: ihre gesellschaftliche Stellung und einen liebevollen Vater für ihren Sohn. Für sein Geld interessierte sie sich ohnehin nicht besonders. Dennoch hatte sie schon bald nach dem Mord ein Geständnis abgelegt, während Hermione nicht einen Moment davon abging, ihre Unschuld zu beteuern.
»Erzählen Sie weiter!« drängte Monk.
Markham verleibte sich ein paar weitere Bissen ein und fuhr fort. Monk wußte, daß es ziemlich unhöflich war, den Mann nicht essen zu lassen, konnte aber nicht dagegen an.
»Sie wollten die Sache einfach nicht auf sich beruhen lassen.« Die Erinnerung an Monks Hartnäckigkeit ließ seine alte Bewunderung hörbar zurückkehren. »Ich hab keine Ahnung warum, aber Sie haben ihr geglaubt. Das unterscheidet wahrscheinlich einen guten Polizisten von einem wirklich begnadeten. Der begnadete hat einen Instinkt für Schuld oder Unschuld und sieht mehr, als man mit dem bloßen Auge erkennen kann. Jedenfalls haben Sie Tag und Nacht geschuftet; hab noch nie jemanden so hart arbeiten sehen. Keine Ahnung, wann Sie überhaupt mal zum Schlafen gekommen sind! Und uns haben Sie auf Trab gehalten, bis wir nicht mehr gewußt haben, ob wir nu Männlein oder Weiblein sind.«
»War ich anmaßend?« warf Monk hastig ein und wünschte im gleichen Moment, er hätte es nicht getan. Die Frage war idiotisch. Was sollte Markham ihm darauf antworten? Trotzdem hörte er seine Stimme weiterfragen: »Wurde ich… beleidigend?«
Markham zögerte. Er fixierte erst seinen Teller, dann Monks Gesicht, offenbar auf der Suche nach Anhaltspunkten, ob dieser die Wahrheit oder eine Schmeichelei hören wollte. Monk wußte, wie die Entscheidung ausfallen würde. Zwar hatte er nichts gegen schmeichelhafte Worte, war aber noch nie in seinem Leben danach auf der Jagd gewesen; das hätte ihm allein schon sein Stolz nicht erlaubt. Und Markham verfügte über eine ordentliche Portion Mut. Er mochte den Mann und hoffte zutiefst, daß er auch damals genug Ehrlichkeit und Menschenkenntnis besessen hatte, um ihn zu mögen und ihm das auch zu zeigen.
»Ja«, bestätigte Markham nach einer Weile. »Obwohl ich nicht ›beleidigend‹ dazu sagen würde. Beleidigen kann man nur jemanden, der sich beleidigen läßt; ich gehör nicht dazu. Kann nicht gerade behaupten, daß Sie mir immer sympathisch gewesen sind dazu waren Sie zu gemein zu den Leuten, die Ihren Ansprüchen nicht gerecht geworden sind, auch wenn sie gar nichts dafür konnten. Unterschiedliche Menschen haben eben auch unterschiedliche Stärken, und das wollten Sie nicht immer einsehen.«
Monk grinste mit einer Spur Selbstironie in sich hinein. Nun, da er nicht länger im Dienst war, legte Markham plötzlich eine überraschende Kühnheit an den Tag und sprach Gedanken an, die er noch vor einem Jahr nicht einmal zu denken gewagt hätte. Aber er war ehrlich. Daß er sich früher nicht getraut hätte, solche Dinge zu äußern, gereichte Monk nicht zur Ehre – eher im Gegenteil.
Markham sah sein Gesicht. »Tut mir leid, Mr. Monk. Sie haben uns wirklich getriezt bis zum Gehtnichtmehr, und wer da nicht mitkam, den haben Sie in Stücke gerissen.« Er schob sich die nächste Gabel voll in den Mund und aß erst einmal auf, ehe er hinzufügte: »Aber Sie hatten recht. Es dauerte ganz schön lang, und ein paar Galgenvögel sind unterwegs auf der Strecke geblieben, weil sie aus dem einen oder andern Grund gelogen haben – aber zu guter Letzt konnten Sie Mrs. Wards Unschuld tatsächlich beweisen. Ihre Kammerzofe und der Butler waren’s gewesen. Die zwei hatten eine Affäre und wollten ihren Dienstherrn um ein paar Wertsachen erleichtern, doch der kam unglücklicherweise runter und erwischte sie dabei. Wenn sie nicht ihr Leben lang im Knast sitzen wollten, mußten sie ihn umbringen. Ich persönlich würde lieber hängen, als vierzig Jahre in den Goldbath Fields zu verbringen – so geht’s vermutlich den meisten.«
Also hatte er den Beweis erbracht – und sie vor dem Galgen bewahrt. Nicht die
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