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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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in Runcorns Verfügungsbereich fällt.« Sie wechselten einen einträchtigen Blick.
    »Dann dürfen wir in der Tat keine Zeit verlieren«, sagte Monk. Er streckte den Rücken, sprang auf die Füße und warf die Schultern zurück. »Ohne uns haben die armen Teufel nicht die geringste Chance. Weiß Gott, wen sie sonst noch verhaften – und an den Galgen bringen!« fügte er finster hinzu.
    Rathbone gab keine Antwort, wußte aber genau, welche beklemmenden Erinnerungen Monk momentan plagten. Er nahm seine Wut und seinen Schmerz so deutlich wahr, als tobten sie in seiner eigenen Brust.
    »Ich wollte sowieso hinfahren«, sagte er laut. »Halten Sie mich auf dem laufenden.« Er verabschiedete sich und ging. Als er im Flur auf Monks Wirtin stieß, blieb er kurz stehen und bedankte sich bei ihr.
    Der diensthabende Wachtmeister empfing Rathbone höflich, wenn auch ein wenig besorgt. Er kannte Rathbones Ruf und brachte sein Gesicht augenblicklich mit Monk in Verbindung, dessen Name nicht nur in diesem Revier, sondern innerhalb der gesamten Truppe nach wie vor Furcht und Schrecken hervorrief.
    »Guten Tag, Sir«, sagte der Sergeant vorsichtig. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich würde gern mit dem im Mordfall Carlyon zuständigen Ermittlungsbeamten sprechen, falls das möglich ist.«
    »Das wäre Mr. Evan, Sir. Oder wollen Sie lieber zu Mr. Runcorn?« Seine großen blauen Augen blickten Rathbone unschuldsvoll an.
    »Danke, das ist nicht nötig«, erwiderte dieser scharf. »Später vielleicht. Im Augenblick möchte ich lediglich gewisse Einzelheiten zum Tatbestand geklärt haben.«
    »Gewiß doch, Sir. Ich werd’ nachsehen, ob er da ist. Wenn nicht, kommen Sie dann später noch mal vorbei, Sir, oder wollen Sie dann doch mit Mr. Runcorn sprechen?«
    »In diesem Fall muß ich wohl mit Mr. Runcorn sprechen.«
    »In Ordnung, Sir.« Der Sergeant machte auf dem Absatz kehrt und verschwand die Treppe hinauf. Drei Minuten später kam er zurück und verkündete, Rathbone könne jetzt nach oben gehen, wo Mr. Runcorn genau fünf Minuten Zeit für ihn habe.
    Rathbone kam der Aufforderung nur widerstrebend nach. Er hätte wesentlich lieber mit Sergeant Evan gesprochen, der in den Mordfällen Moidore und Grey erstaunlichen Einfallsreichtum und unerschütterliche Loyalität gegenüber Monk an den Tag gelegt hatte. Statt dessen klopfte er nun an eine Tür, hinter der Superintendent Runcorn saß. Der thronte hinter seinem riesigen Schreibtisch mit integrierter, lederner Schreibunterlage und blickte ihm mit seinem langen, rotwangigen Gesicht erwartungsvoll mißtrauisch entgegen.
    »Ja, Mr. Rathbone? Der Sergeant sagte, Sie sind in Sachen Carlyon unterwegs? Traurige Geschichte.« Er schüttelte den Kopf und krauste die Lippen. »Tragisch, tragisch. Hat die Ärmste doch tatsächlich in einem Anfall von geistiger Umnachtung ihren Mann umgebracht. Hat ein volles Geständnis abgelegt.« Er blinzelte Rathbone aus schmalen Augen an.
    »Ja, das habe ich gehört«, bestätigte dieser. »Sie werden aber gewiß die Möglichkeit in Betracht gezogen haben, daß ihre Tochter den Mord begangen hat und Mrs. Carlyons Geständnis lediglich ein Deckungsversuch ist?«
    Runcorns Gesicht wurde hart. »Selbstverständlich.« Rathbone hatte den Eindruck, daß er log, ließ sich seine Verachtung jedoch nicht anmerken.
    »Und das kann Ihrer Ansicht nach nicht der Fall sein?«
    »Doch, es kann«, sagte Runcorn vorsichtig. »Aber es gibt nichts, was darauf hindeutet. Mrs. Carlyon hat gestanden, und alle Beweise sprechen dafür, daß sie es war.« Er lehnte sich ein wenig zurück und rümpfte die Nase. »Und ein Unfall ist es mit Sicherheit nicht gewesen, Sie können sich die Frage sparen. Er mag vielleicht versehentlich runtergefallen sein, aber er hat sich nie im Leben selbst aufgespießt. Jemand ist ihm entweder nach unten gefolgt oder hat ihn dort gefunden, dann die Hellebarde genommen und in seine Brust getrieben.« Er schüttelte abermals den Kopf. »Sie können sie nicht verteidigen, Mr. Rathbone. Nicht im Sinne des Gesetzes. Ich weiß, daß Sie sehr schlau sind, aber das hier ist ein todsicherer Fall. Die Geschworenen sind ganz normal denkende und fühlende Menschen, und sie werden sie an den Galgen bringen – egal, was Sie sagen.«
    »Möglich«, räumte Rathbone niedergeschlagen ein. »Aber wir stehen erst am Anfang. Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Danke, Mr. Runcorn. Darf ich den gerichtsmedizinischen Bericht einsehen?«
    »Wenn Sie unbedingt wollen

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