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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ging zur Tür. »Ich bedaure nur, daß ich Ihnen keine größere Hilfe sein konnte. Was werden Sie jetzt tun?«
    »Das Ganze noch einmal von vorn aufrollen«, sagte Monk matt. »Die Polizeiakte einsehen; Beweismittel durchgehen; Angaben zu Tatzeit und Tatort überprüfen; Antworten vergleichen.«
    »Ich fürchte, die Ernüchterung wird nicht ausbleiben«, meinte Hargrave wehmütig. »Ich habe zwar keine Ahnung, warum sie derart plötzlich die Nerven und den Verstand verloren haben soll, aber letzten Endes werden Sie vermutlich feststellen, daß Alexandra Carlyon ihren Mann tatsächlich ermordet hat.«
    »Schon möglich«, räumte Monk ein und öffnete die Tür.
    »Doch so leicht gebe ich mich nicht geschlagen!«
    Den Gang zur Polizei hatte Monk bislang hinausgeschoben, und zu Runcorn würde er ganz bestimmt nicht gehen. Ihre Beziehung war von Anfang an schwierig gewesen, überschattet von Monks Ehrgeiz, in Runcorns Fußstapfen zu treten; er war scharf auf seinen Posten gewesen und hatte keinen Hehl daraus gemacht, daß er seiner Meinung nach wesentlich besser dafür geeignet war. Aus Angst, daß es wahr sein könnte, hatte Runcorn ihn gefürchtet, und aus der Furcht waren Ablehnung, Bitterkeit und schließlich Haß geworden.
    Zu guter Letzt hatte Monk in einem Anfall von Zorn das Handtuch geworfen, weil er einem Befehl nicht Folge leisten wollte, den er als außerordentlich leichtfertig und moralisch verwerflich empfand. Runcorn war selbstverständlich entzückt gewesen, denn endlich war er seinen gefährlichsten Mitarbeiter los. Die Tatsache, daß Monk wie sooft letztlich recht behalten hatte, hatte ihm zwar den völligen Triumph verwehrt, nicht aber die köstliche Erlösung von Monks ständiger Konkurrenz und seinem bedrohlichen Schatten über einer ansonsten rosigen Zukunft.
    Mit John Evan indes verhielt es sich völlig anders. Er hatte Monk erst nach dessen Unfall kennengelernt, als er ihm bei seinem Dienstantritt nach der Rekonvaleszenz als Sergeant im Mordfall Grey zugeteilt worden war. Evan hatte einen Mann vorgefunden, der sich erst mühsam wiederentdecken mußte und in keiner Weise sicher war, ob ihm das Resultat gefiel. Er hatte Monks Verwundbarkeit bemerkt und schließlich erraten, wie wenig sein Vorgesetzter über sich wußte. Evan stellte fest, daß Monk nicht deshalb so verbissen um seinen Job kämpfte, weil er sonst seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten konnte, sondern weil er der einzige Fixpunkt war, den er besaß. Selbst in den allerschlimmsten Zeiten, als Monk nicht nur seine Kompetenz, sondern auch seine Ehre und seine Moral angezweifelt hatte, hatte Evan ihn nicht verraten, weder bei Runcorn noch sonst jemandem. Evan und Hester Latterly hatten ihn gerettet, als die Sache für ihn längst gelaufen war.
    Als Sohn eines Landpfarrers war John Evan ein recht untypischer Polizist, zwar nicht direkt Gentleman, doch gewiß auch nicht Hilfsarbeiter oder Zugehkraft. Infolgedessen strahlte er eine Ungezwungenheit aus, die Monk bewunderte und Runcorn auf die Palme trieb, da sie beide nach gesellschaftlicher Verbesserung strebten, wenn auch auf vollkommen unterschiedliche Art.
    Monk verspürte nicht die geringste Lust, auf dem Polizeirevier mit Evan zu sprechen. Dieser Ort erinnerte ihn zu sehr an vergangene Zeiten voll Tüchtigkeit und Machtbefugnis und vor allem natürlich an seinen endgültigen Abgang. Er sah es immer noch vor sich, das ganze junge Gemüse jeglichen Rangs und Kalibers, gebannt und ehrfürchtig zusammengerottet, die Ohren fest ans Schlüsselloch gepreßt, um seiner letzten, stürmischen Auseinandersetzung mit Runcorn zu lauschen – bis er unvermutet die Tür aufriß, hinausstolziert kam und Runcorn hochroten Hauptes, doch siegreich zurückließ; wie die Hasen waren sie auseinandergestoben und in ihre Gänge verschwunden.
    Lieber suchte er Evan in dem Wirtshaus, wo er fast täglich zu Mittag aß. Das kleine Lokal war vom munteren Geschnatter unzähliger Straßenhändler, Zeitungsverkäufer, Bürogehilfen und Mittelsmännern aus der Randzone zur Unterwelt erfüllt. Der Geruch nach Bier und Apfelwein, Sägemehl, dampfendem Essen und schwitzenden Körpern war intensiv, doch nicht unangenehm. Monk postierte sich auf einem Stuhl, von dem aus er die Tür im Auge behalten konnte, und widmete sich einem Pint Apfelwein, bis Evan hereinkam. Dann arbeitete er sich schubsend zum Tresen vor, stellte sich neben ihn und stieß ihn sanft in die Rippen.
    Evan drehte sich überrascht um und begann sofort

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