Eine Spur von Verrat
dritte Element ist das Motiv«, sagte er. Rathbone war sofort wieder ganz Ohr. Es gab also doch noch Hoffnung. Warum sollte Monk es sonst erwähnen? Verflucht sei dieser Kerl mit seinem verflixten Hang zur Dramatik! Zu spät, um noch gleichgültig zu tun, Monk hatte den Wandel in seiner Mimik bereits gesehen. Wenn er sich jetzt einen teilnahmslosen Anschein gab, machte er sich nur lächerlich.
»Ihre Offenbarungen auf diesem Gebiet bringen uns weiter, nehme ich an?« meinte er statt dessen. Monks Genugtuung verflog.
»Kaum«, gestand er. »Für die anderen könnte man alle möglichen Motive durchspielen, aber was Alexandra Carlyon betrifft, scheint außer Eifersucht nichts in Frage zu kommen – und das war nicht der Grund.«
Rathbone und Hester stierten ihn an. Außer dem sanften Tappen eines Blattes, das der Frühlingswind gegen das Fenster geweht hatte, herrschte Grabesstille im Raum.
Monk schaute zweifelnd drein. »Eifersucht als Motiv klang nie überzeugend, auch wenn zwei oder drei Leute es – mehr oder minder widerwillig – akzeptiert haben. Ich habe es selbst eine Zeitlang geglaubt.« Er registrierte die aufflackernde Neugier in ihren Blicken und ignorierte sie bewußt. »Louisa Furnival ist zweifellos der Typ Frau, der Verunsicherung, Selbstzweifel und letztlich Eifersucht bei anderen Frauen auslöst – was sicher schon dutzendfach der Fall war. Und es bestand immerhin die Möglichkeit, daß Alexandra sie nicht deshalb gehaßt hat, weil sie den General so sehr liebte, sondern weil sie es einfach nicht ertragen konnte, öffentlich gedemütigt zu werden; weil jeder wußte, daß sie aus diesem Wettstreit als zweite Siegerin hervorgegangen war – was erheblich am Selbstwertgefühl jedes Menschen kratzen würde, besonders an dem einer Frau.«
»Aber?« Hester konnte sich nicht länger zurückhalten.
»Warum glauben Sie jetzt nicht mehr daran?«
»Weil Louisa, wie Alexandra sehr wohl wußte, kein Verhältnis mit dem General hatte.«
»Sind Sie sicher?« Rathbone beugte sich gespannt vor.
»Woher wissen Sie das?«
»Maxim ist wohlhabend, was Louisa sehr viel bedeutet«, gab Monk zurück, ohne sie aus den Augen zu lassen. »Aber ihre Sicherheit und ihr Ruf sind ihr noch um einiges wichtiger. Maxim muß vor einiger Zeit einmal in Alexandra verliebt gewesen sein.« Er warf Hester einen überraschten Blick zu, als diese sich plötzlich heftig nickend vorbeugte. »Sie waren darüber im Bilde?«
»Ja, Edith hat es mir erzählt. Er hat sich jedoch nicht gehen lassen, weil er sehr moralisch ist und sich eisern an sein Eheversprechen hält, ungeachtet aller späteren Gefühle.«
»Genau«, stimmte Monk ihr zu. »Und da Alexandra so unmittelbar betroffen war, muß sie es ebenfalls gewußt haben. Louisa ist nicht der Typ, der für einen anderen Mann alles aufgeben würde –Geld, Ehre, Heim, die Anerkennung der oberen Gesellschaftskreise. Schon gar nicht für einen, der sie gewiß nicht heiraten würde, und das hätte der General nie getan. Er hatte schließlich selbst einen Ruf und eine Karriere zu verlieren, von seinem abgöttisch geliebten Sohn ganz zu schweigen. Ich bezweifle, daß Louisa jemals irgend etwas mutwillig aufgegeben hat. Alexandra kannte sie, und sie kannte auch ihre Situation. Wenn Maxim Louisa und dem General auf die Schliche gekommen wäre, hätte er ihr das Leben extrem schwer gemacht. Immerhin hatte er selbst schon ein großes Opfer gebracht, um seine Ehre aufrechtzuerhalten. Er hätte dasselbe von ihr verlangt. Und Alexandra wußte über all das bestens Bescheid…« Den Rest ließ er ungesagt. Er saß einfach nur da und schaute sie niedergeschlagen an.
Rathbone lehnte sich zurück. In seinem Kopf herrschten Verwirrung und Ratlosigkeit. An dieser Geschichte mußte soviel mehr dran sein, als sie bisher bedacht hatten. Alles, was sie besaßen, waren Bruchstücke, und das entscheidende, das Bindeglied, fehlte völlig.
»Das ergibt einfach keinen Sinn«, sagte er zurückhaltend. Er schaute zu Hester hinüber, um festzustellen, was sie von dem Ganzen hielt. Erfreut entnahm er ihrer Miene, daß sie offenbar ähnliche Zweifel hegte. Darüber hinaus verriet ihm ihr aufmerksamer Blick, daß sie nach wie vor an dem Fall interessiert war. Obwohl die Antwort ihnen sämtliche Illusionen genommen hatte und die Schuldfrage nun eindeutig geklärt war, hatte sie nicht resigniert.
»Und Sie haben keine Ahnung, was der wirkliche Grund war?« fragte er Monk, während er seine Züge nach einer weiteren
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