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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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lieber tötet, als es zugrunde gehen oder in fremde Hände fallen zu lassen. Aber das trifft hier nicht zu.«
    »Laut Monk nicht«, pflichtete Oliver ihr bei. »Außerdem gehört das Haus ihm, nicht ihr – und ein Ahnensitz ist es in keiner Weise. Fällt Ihnen sonst noch etwas ein?«
    Hester lächelte trocken, sich seiner Gegenwart deutlich bewußt. »Tja, wenn ich schön wäre, würde mir mein Aussehen vermutlich auch ziemlich am Herzen liegen. Ist Alexandra schön?«
    Er dachte einen Augenblick nach. In seiner Miene spiegelte sich eine wunderliche Mischung aus Belustigung und Schmerz.
    »Nicht schön im eigentlichen Sinn. Sie hinterläßt allerdings einen bleibenden Eindruck, was wahrscheinlich viel mehr zählt. Ihre Züge sind ausgesprochen eigenwillig.«
    »Bis jetzt haben Sie erst eins genannt, was ihr wichtig genug sein könnte«, schaltete Henry Rathbone sich wieder ein. »Wie steht es mit ihrem Ruf?«
    »Ja, richtig«, stimmte Hester ihm Hals über Kopf zu. »Wenn die eigene Ehre in Gefahr ist, wenn man sich zu Unrecht beschuldigt fühlt, könnte man durchaus die Beherrschung verlieren und Rot sehen. Zumindest gehört das zu den Dingen, die ich am allerwenigsten vertragen kann. Oder es geht um die Ehre eines mir sehr nahestehenden Menschen – das würde mich ebenso tief treffen. Doch, diese Möglichkeit ist nicht von der Hand zu weisen.«
    »Wer sollte ihre Ehre bedroht haben?« fragte Oliver stirnrunzelnd. »Uns ist nichts Derartiges zu Ohren gekommen. Und wenn das tatsächlich der Grund war, warum verheimlicht sie es dann? Weil es um die Ehre eines anderen Menschen ging? Wessen? Die des Generals doch wohl nicht, oder?«
    »Erpressung«, verkündete Hester unvermittelt. »Verständlich, daß die erpreßte Person den Mund hält – würde sie ansonsten doch den Gegenstand der Erpressung preisgeben, um dessentwillen sie getötet hat.«
    »Erpreßt von wem? Von ihrem Mann?« fragte Oliver skeptisch. »Das hieße ja Eulen nach Athen tragen.«
    »Nicht um Geld«, sagte sie rasch und lehnte sich ihm über den Tisch entgegen. »Das wäre natürlich unsinnig. Um etwas anderes zu erreichen – vielleicht einfach nur, um sie in der Hand zu haben.«
    »Aber wem hätte er schon etwas verraten, liebste Hester? Jeder Skandal, in den sie verwickelt wäre, würde ebenso auf ihn zurückfallen. Wenn eine Frau Schande über sich gebracht hat, tritt der Erpresser für gewöhnlich an ihren Mann heran.«
    »Hm.« Die Logik seiner Argumentation war bestechend. »Das ist wohl wahr.« Sie forschte in seinem Blick nach verstecktem Tadel, stieß jedoch auf ein Wohlwollen und eine Heiterkeit, die sie vorübergehend aus dem Konzept brachte. Sie fühlte sich viel zu wohl mit den beiden hier! Sie erstickte den Wunsch, zu bleiben und dazuzugehören, im Keim und besann sich schleunigst auf das eigentliche Gesprächsthema.
    »Das Ganze ergibt einfach keinen Sinn«, sagte sie leise, während sie den Blick senkte, um ihn nicht länger anschauen zu müssen. »Sie haben selbst gesagt, abgesehen davon, daß er Sabella vor einigen Jahren gezwungen hat zu heiraten, statt den Schleier zu nehmen, wäre er ein guter Vater gewesen.«
    »Wenn das Ganze tatsächlich keinen Sinn ergibt«, meinte Henry nachdenklich, »haben Sie entweder einen Aspekt übersehen oder ziehen die falschen Schlüsse.«
    Hester musterte sein gütiges, asketisches Gesicht, das nicht die geringste Spur Gehässigkeit oder Kleinlichkeit enthielt, sah die große Intelligenz in seinen Augen. Es war das klügste Gesicht, das ihr je untergekommen war. Sie mußte schmunzeln, obwohl sie keinen besonderen Grund dafür hatte.
    »Dann müssen wir wohl alles noch mal von vorn durchgehen«, dachte sie laut. »Ich glaube allerdings eher, daß die zweite Möglichkeit zutrifft. Wir ziehen die falschen Schlüsse.«
    »Sind Sie sicher, daß die Sache es wert ist?« erkundigte Henry sich freundlich. »Selbst wenn Sie herausfinden, warum sie ihn getötet hat, würde das etwas ändern? Oliver?«
    »Keine Ahnung. Wahrscheinlich nicht«, gab sein Sohn zu.
    »Aber mit meinem momentanen Erkenntnisstand kann ich unmöglich vor Gericht gehen.«
    »Weil du zu stolz bist«, erwiderte Henry unumwunden. »Aber wie steht es mit ihren Interessen? Wenn sie wollte, daß du sie mit der Wahrheit verteidigst, meinst du nicht, sie hätte sie dir dann erzählt?«
    »Vermutlich. Aber ich sollte beurteilen, wie sie im Sinne des Gesetzes am besten zu verteidigen ist, nicht sie.«
    »Ich denke, du willst einfach keine

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