Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
Vom Netzwerk:
folgendermaßen: Sie bauen einen Korral, einen Pferch, an einer
abgelegenen Stelle ihrer Farm, wo nie jemand nachsuchen würde, und da treiben
sie deine Poddys hinein. Dort lassen sie sie vier bis fünf Tage ohne Futter und
Wasser; sie bekommen überhaupt nichts. Dann wird so ein Jungtier halb verrückt,
vergißt Herde und Mutter; es will nur Wasser. Uns würde es ja genauso gehen.
Und dann lassen die Kerle die Poddys heraus, und sie dürfen sich an einem
Wasserloch vollsaufen. Wenn sie den Riesendurst gelöscht haben, wollen sie
monatelang nicht mehr von der Wasserstelle weg. Sie haben alles vergessen, was
vorher war, und bleiben —»
    Joan war eingeschlafen. Als sie
erwachte, näherte sich die Sonne dem Horizont. Joe war weg. Sie wusch sich im
Badezimmer und sah durchs Fenster, wie er draußen am Motor des Lastwagens
bastelte. Nachdem sie sich etwas zurechtgemacht hatte, sah sie auf die Uhr, und
da noch Zeit war, inspizierte sie die Küche.
    Sie fand sie, gelinde gesagt, primitiv.
Der mit Holz geheizte Herd war zum Glück erloschen. Die Kücheneinrichtung
bestand aus einem Petroleumkocher, einem Eisschränkchen, einem Fliegenschrank
mit reichlichen Mengen gekochten Fleisches und ebensoviel Fliegen drinnen wie
draußen. Das bißchen Kochgerät war ebenso altmodisch wie unsauber, das Ganze
eher ein Angsttraum als eine Küche. Sie hätte am liebsten die ganze Ausstattung
in Brand gesteckt; nur wäre dann vermutlich das Gehöft mit abgebrannt. Im
Vorratsschrank befand sich kaum etwas anderes als Dauerware: Mehl, Salz und
Seife.
    Sie setzte den Teekessel auf und
schaute sich um, ob sie außer Fleisch noch andere Dinge fände. Eier gab es
genug; auch entdeckte sie etwas trockenen Käse. Sie eilte hinaus zu Joe, um ihn
um Rat zu fragen, und bereitete ihm hierauf ein Omelett mit sechs Eiern und
Käse.
    Er hatte sich mittlerweile die Hände
gewaschen und sah ihrer Küchentätigkeit zu.
    «Donnerwetter!» rief er, «wo hast du
kochen gelernt?»
    «In Ealing», antwortete sie, «in
Ealing...»
    Oh, wie fern waren ihr nun der graue
Himmel, die großen roten Autobusse und die Geräusche der Untergrundbahn.
    «Ich hatte dort eine Art Schrankküche
mit elektrischem Kochherd. Da habe ich mir oft mein Abendessen gekocht.»
    «Im Outback wirst du kaum einen
elektrischen Kochherd finden.»
    Er lächelte verlegen, und sie berührte
leicht seine Hand.
    «Ich weiß es, Joe. Aber manches ließe
sich ohne besondere Mühe verbessern, und dann wäre vieles leichter.»
    Beim Tee sprachen sie von der Küche und
dem Haus.
    «Die Küche muß anders werden», erklärte
sie, «sonst ist alles sehr hübsch.»
    «Ehe du kommst, lasse ich eine Toilette
einbauen», versprach er. «Mir macht es nichts aus, hinauszugehen, aber für dich
ist es unangenehm.»
    Sie lachte: «Oh, das macht mir nichts,
solange dort nur genügend Nummern der ‹Saturday Evening Post› vorrätig sind!»
    Er stimmte vergnügt in ihr Gelächter
ein, doch das Problem beschäftigte ihn weiter. «Es gibt Gehöfte mit
antiseptischen Becken und Kanalisation. Als der Herzog und die Herzogin von
Windsor in Augustus waren, hat man ihnen dort ein echtes WC installiert. Bis
wir so weit sind, kann es recht lange dauern...»
    Nach dem Tee saßen sie noch ein
Weilchen auf der Veranda. Die Sonne sank. Rauchend, in ruhigem Gespräch,
blickten sie über Fluß und Busch, und sie fragte: «Was hast du diese Woche vor,
Joe? Kommst du nach Willstown?»
    «Donnerstag, spätestens Freitag»,
versprach er. «Morgen muß ich auf ein paar Tage zum Stationsende und sehen, was
sich dort tut.»
    «Mit den Poddys?» lächelte sie.
    «Richtig!» schmunzelte er. «Jetzt, in
der Trockenzeit, ist es etwas schwierig, weil man die Fährte schlecht findet.
Aber ich habe seit kurzem einen Boy namens Nugget, der ist ein glänzender
Pfadfinder; ich nehme ihn mit. Ich habe so ein Gefühl, als wäre Don Curtis von
der Station Windermere an meinen Poddys gewesen.»
    «Was tust du, wenn du nun Spuren
findest, die von deinem Land auf das seine führen!»
    Das Schmunzeln verstärkte sich. «Ich
geh ihnen nach, finde die Poddys und treibe sie heim. Hoffentlich kommt Don
nicht dazwischen.»
    Gegen neun Uhr abends fuhr er sie
wieder zurück. Kurz vor Willstown hielten sie, um sich in angemessener Weise
gute Nacht zu sagen. Sein Arm umschlang sie; sie ruhte an seiner Schulter,
hörte die Nachtgeräusche, das Quaken der Frösche, Grillengezirpe, den Schrei
eines Nachtvogels und flüsterte: «Joe, es ist schön, wo du wohnst.

Weitere Kostenlose Bücher