Eine Stadt wie Alice
keine Läden in erreichbarer Nähe; es hätte ihnen auch wenig
genützt, denn ihr Geld war schon fast aufgebraucht.
Am zwölften Tag ließ Major Nemu sie
innerhalb einer halben Stunde antreten, bestimmte einen Korporal zu ihrer
Beaufsichtigung und teilte ihnen mit, sie sollten nach Port Dickson
marschieren. Dort fänden sie vielleicht ein Schiff nach Singapore. Wenn nicht,
müßten sie in Richtung der Gefangenenlager weiterziehen.
Es war Mitte März.
Von Klang nach Port Dickson sind es
rund fünfzig Meilen, und sie brauchten dazu etwa vierzehn Tage. Es ging
langsamer denn je. Mehrere Tage blieben sie in einer Ortschaft liegen, weil
Mrs. Horsefall an Malaria erkrankte; ihr Fieber stieg auf einhundertfünf. Nach
einer Woche hatte sie sich so weit erholt, daß sie wieder gehen, besser gesagt:
dahinschwanken konnte. Sie kam nie wieder richtig zu Kräften. Die Leitung der
traurigen Schar oblag nun fast ausschließlich Joan Paget.
Kaum eine der Frauen hatte noch
irgendein Kleid oder Wäsche zum Wechseln; man hatte die Traglasten auf das
äußerste Minimum reduziert. Eileen und Joan hatten nichts als das, was sie von
Anfang an am Leibe trugen; es war zerfetzt, vom Waschen durchscheuert, und
nachdem Joan schon längst keine Schuhe und Strümpfe mehr trug, tat sie nunmehr
einen weiteren Schritt in ihrer Anpassung an die Eingeborenentracht. In Salak
verkaufte sie ihre kleine Brosche um dreizehn Dollar an einen indischen
Juwelier und kaufte für zwei dieser kostbaren Dollars einen billigen Sarong.
Ein Sarong besteht aus einem etwa drei
Fuß breiten Tuch, das man sich wie ein Handtuch um die Hüfte wickelt. Was dabei
übrig bleibt, läßt man in Falten herunterfallen und kann sich so frei bewegen.
Zum Schlafen wickelt man das Tuch auf und ist damit zugedeckt. Es ist die
leichteste, kühlste, praktischste Tropenkleidung und ebenso einfach
anzufertigen wie zu waschen. Für den Oberkörper schnitt sie aus ihrem
bisherigen Baumwollrock eine Art Tunika, trennte alles Überflüssige los und
hatte es seitdem kühler und angenehmer als alle anderen Frauen. Diese
bezeichneten das neue Kostüm zunächst zwar als eine Erniedrigung. Als aber dann
ihre eigenen Kleider immer fadenscheiniger wurden, folgten die meisten Joans
Beispiel und kleideten sich wie die eingeborenen Frauen.
Die Hafenstadt Dickson ward den
Umhergetriebenen nicht zum Hafen. Kein Schiff nahm sie auf. In einem
Kokosnußlagerschuppen durften sie etwa zehn Tage verweilen; dann fand der
japanische Ortskommandeur, sie seien nicht seine Gefangenen! Sie gingen ihn
nichts an, und so stellte er sie auf die Straße nach Seremban.
In Siliau, zwischen Port Dickson und
Seremban, traf Hollands der erste furchtbare Schlag. Auf dem Marsch tags zuvor
hatte Jane zu fiebern begonnen, einer der beiden Wachsoldaten hatte sie fast
den ganzen Weg getragen. Wieder wurden sie in einen stinkenden
Kautschukschuppen einquartiert. Ihr einziges Fieberthermometer war durch einen
unglücklichen Zufall vor kurzem zerbrochen; sie konnten die Temperatur der
Malariakranken nicht mehr messen, aber sie fühlten auch so, wie entsetzlich
heiß das Kind war. Vor dem bißchen Chinin, das sie noch besaßen und ihm
einflößten, schüttelte es sich, und als es dann zu dieser Abwehr zu schwach war
und die Medizin schluckte, war es zu spät. Man flehte den neuen Sergeanten an,
in Siliau bleiben zu dürfen. Joan und Eileen wachten ununterbrochen und
kämpften um das verlöschende Leben. Bei Nacht rannten die Ratten über das
Sterbelager; bei Tag flogen Hühner aus und ein. Am Abend des zweiten Tages war
Jane tot.
Eileen Holland nahm es gefaßter, als
Joan erwartet hatte. «Es ist Gottes Wille», sagte sie still. «Er wird ihrem
Daddy die Kraft geben, es zu tragen, wenn er es einmal erfährt, so wie Er uns
allen die Kraft gab, unsere Prüfungen zu ertragen.» Sie stand an dem kleinen
Grab, half ein Kreuz zusammennageln und wählte als Inschrift die Worte: Lasset
die Kindlein zu mir kommen! «Das ist ihrem Daddy gewiß recht», sagte sie
ruhig.
In der Nacht hörte Joan, wie sie weinte.
All dies glitt an ihrem kleinen Robin,
der nun ein Jahr alt war, ab, und er gedieh. Es war purer Zufall, daß alles,
was er aß und trank, frisch gekocht war; der Reis, die Suppe. Es geschah ganz
von selbst, erklärte aber zum Teil, wieso er von Magen- und Darmkrankheiten
verschont blieb. Unterwegs wurde er stets von Joan getragen, die in Klang fünf
Tage Fieber gut überstanden hatte. Die Ruhranfälle von Panong hatten sich
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