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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice
Autoren: Neville Shute
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wuschen
sich, setzten ihre Kleider instand, denn ihre äußere Erscheinung spielte nun
eine bedeutende Rolle. Für alle war Kuala Lumpur der geistige und kommerzielle
Mittelpunkt; hier hatten sie ihre Einkäufe besorgt; hier kannte man sie. Wenn
das Lastauto kam, wollten sie möglichst gut dastehen.
    Eine Stunde vor Sonnenuntergang kam der
Hauptmann zurück, gab dem salutierenden Sergeanten einen Befehl und wandte sich
dann an die Frauen: «Ihr nicht gehen nach Kuala Lumpur. Ihr gehen nach Port
Swettenham. Ihr Engländer Brücken zerstört haben. So Eisenbahn und Singapore
nicht gut. Ihr gehen Port Swettenham jetzt und dann Schiff Singapore.»
    Fassungsloses Schweigen, bis Mrs.
Horsefall die Frage stellte: «Bringt uns ein Wagen nach Port Swettenham?»
    Die Antwort lautete: «Sehr bedaure,
kein Wagen. Ihr gehen langsam. Sehr leicht. Zwei Tage, drei Tage ihr gehen Port
Swettenham. Dort Schiff Singapore.»
    Von Asahan nach Port Swettenham, wußte
Mrs. Horsefall, waren es etwa dreißig Meilen.
    «Captain Yoniata», bat sie, «nehmen Sie
doch Vernunft an! Die meisten hier sind nicht imstande, weiter zu gehen. Können
Sie nicht wenigstens eine Fahrgelegenheit für die Kinder besorgen?»
    «Englische Frau haben stolze Gedanken»,
versetzte er. «Immer! Zu stolz, zu gehen wie japanische Frau. Morgen ihr gehen
nach Bakri.» Damit stieg er in sein Auto, fuhr los und wurde nicht mehr
gesehen.
    Bakri liegt elf Meilen in Hauptrichtung
Port Swettenham. Die angesagte Programmänderung war die furchtbarste
Enttäuschung für die obdachlosen Gefangenen, vor allem, weil sie daraus
ersahen, daß ihre Zukunft völlig ungewiß war.
    «Das hat er doch schon in Panong
gewußt, daß die Brücken zerstört sind!» stieß Mrs. Holland hervor. «Da hätte er
uns erst gar nicht nach Kuala Lumpur zu hetzen brauchen! Wer weiß, ob wir in
Port Swettenham überhaupt ein Schiff finden!»
    Doch da half alles Reden nichts. Am
nächsten Morgen stand der klägliche Zug wieder auf der Straße. Die
Bewachungsmannschaft war um zwei Mann vermindert. Es blieb nur noch der
Sergeant mit einem Soldaten. Auf ihre Sicherheit hatte das keinen Einfluß, denn
niemand dachte an Flucht, und von den Eingeborenen hatten sie nichts zu
befürchten. Aber was geschah mit den Kindern, die von den beiden
Abkommandierten bisher getragen wurden? Sie waren für ihre Mütter nun eine neue
schwere Belastung.
    Mrs. Holland konnte den nun elf Monate
alten Robin unmöglich weiterschleppen. Sie trug den Brotbeutel und paßte auf
Freddie auf. Joan aber nahm zu dem Deckenbündel auch noch das Baby und führte
Jane an der Hand. Sie ging auch weiterhin barfuß, und nachdem sie allerhand
Möglichkeiten ausprobiert hatte, fand sie es am praktischsten, das Kleine nach
malaiischer Sitte auf der Hüfte zu tragen.
    Erstaunlicherweise gab das Baby von
allen Kindern am wenigsten Anlaß zur Sorge. Sie fütterten es mit Reis und der
Soße vom Fisch, und es gedieh. Nur einmal in den sechs Wochen hatte es
Durchfall gehabt; man hatte ihm sofort Glaubersalz eingeflößt, und die Ruhr kam
nicht zum Ausbruch, auch kein Fieber. Die Moskitos störten es anscheinend
nicht. Die beiden anderen Hollandkinder waren weniger glücklich. Sie hatten
mehrere Ruhranfälle hinter sich und waren sehr abgemagert.
    Man übernachtete in dem Bungalow, der
dem englischen Direktor der Zinngrube Bakri gehört hatte. Er hatte ihn schon
vor zwei Monaten geräumt. Seitdem war er bald von den Engländern, bald von den
Japanern besetzt und von den Malaien geplündert worden. Doch wie durch ein
Wunder war die Badeeinrichtung, wenn auch total verschmutzt, noch
gebrauchsfähig; auch Holz für die Heizung des Badeofens war da. Der Sergeant
hielt sein in Asahan gegebenes Versprechen: es folgte ein Rasttag, an dem sie
im heißen Wasser erst sich und dann ihre Kleider wuschen.
    Schon diese kleine Besserung ihres
Zustandes wirkte auf die Gemüter belebend, und selbst die pessimistische Eileen
Holland meinte: «Auf dem Schiff haben wir sicher auch heißes Wasser; das ist
dort so.»
    Tags darauf ging es weiter nach einem
Ort namens Dilit und nicht mehr über geteerte Straßen, sondern durch
Gummiplantagen den Karrenspuren nach, und da diese meist unter schattigen
Bäumen liefen, fanden sogar die älteren Frauen die Wanderung erträglich; die
jüngeren fanden sie angenehm. Es war aber nicht einfach, den richtigen Weg
einzuhalten. Der Sergeant erkundigte sich da und dort bei malaiischen
Gummiarbeiterinnen, sie aber verstanden ihn und er sie
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