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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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und
sprach: «Es steht geschrieben in der Vierten Sure: ‹Gier ist des Menschen
Natur. Doch so du gut bist zu Frauen und dich scheuest, sie leiden zu lassen,
so sieht Gott es mit Wohlgefallen›.»
    Sie blieb bei dem Alten, bis der Reis
gar war, und ging dann zum Essen. Die andern Frauen schauten sie neugierig an,
und eine bemerkte: «Wir haben Sie beim Häuptling sitzen und plaudern sehen, als
wäret ihr die besten Freunde 1»
    «Wir haben zusammen Kaffee getrunken»,
lächelte Joan.
    «Nicht möglich! Ja, wenn eine die
Sprache versteht, das ist was anderes! Worüber habt ihr denn geredet?»
    «Von allerhand... Über unsere
Wanderung, und er sagte auch etwas von Gott.»
    «Von Gott?» fragte die Engländerin
verdutzt. «Sie meinen: von seinem Gott... doch nicht vom richtigen!»
    «Er machte da keinen Unterschied»,
sagte Joan. «Einfach von Gott.»
    Sie rasteten am folgenden Tag und
brachen dann nach Klang, dreieinhalb Meilen vor Port Swettenham, auf. Ben
Collards Zustand war unverändert; das Bein war noch sehr geschwollen, aber das
Schlimmste war seine Schwäche. Seit dem Unglücksfall hatte er nichts mehr
gegessen: er konnte nichts bei sich behalten, und über Kraftreserven verfügte
zu jener Zeit auch nicht eines der Kinder. Der Häuptling ließ ihm von
Dorfbewohnern eine Tragbahre aus Bambusstäben anfertigen, zwischen die eine
Palmfasermatte gespannt wurde. Auf diese wurde der Kranke gebettet. Beim Tragen
wechselten sie miteinander ab.
    Am Nachmittag erreichten sie Klang. Der
Sergeant quartierte sie in dem leeren Schulhaus ein und begab sich in ein
benachbartes japanisches Biwak, um Bericht zu erstatten und für Verpflegung zu
sorgen.
    Sofort erschien mit sechs Bewaffneten
ein Offizier, ein Major Nemu, wie sie später erfahren sollten, und fragte in
recht gutem Englisch: «Wer seid ihr, Leute? Was wollt ihr hier?»
    Sie blickten verwundert, und Mrs.
Horsefall meldete: «Wir sind Kriegsgefangene aus Panong auf dem Weg ins Camp in
Singapore. Captain Yoniata schickte uns unter Bewachung hierher, damit wir uns
im Hafen von Swettenham nach Singapore einschiffen.»
    «Da gibt es keine Schiffe. Ihr hättet
in Panong bleiben sollen!»
    Es schien nicht ratsam, zu streiten;
auch fehlte ihr dazu die Kraft. Darum wiederholte Mrs. Horsefall stumpf: «Man
hat uns hierher geschickt.»
    «Man hatte kein Recht dazu!» brach er
los. «Hier ist kein Lager.»
    Schweigen. Langes bedrücktes Schweigen.
In dumpfer Verzweiflung starrten die Frauen auf den Japaner.
    Mrs. Horsefall fragte mit Aufbietung ihrer
letzten Kraft: «Können wir einen Arzt haben? Wir haben mehrere Kranke, vor
allem ein schwerkrankes Kind. Eine Frau ist unterwegs gestorben.»
    «Woran?» fragte er scharf. «An Pest?»
    «Nein, nichts Ansteckendes. Sie starb
an Erschöpfung.»
    «Ich schicke einen Arzt, daß er euch
untersucht, alle! Ihr bleibt heute nacht hier, aber nicht länger. Die Vorräte
reichen kaum für meine Leute; da kann ich nicht auch noch Gefangene
durchfüttern.» Damit ging er zurück in sein Biwak.
    Vor das Schulhaus wurde eine neue Wache
postiert. Den netten Sergeanten mit seinem Soldaten bekamen sie nicht mehr zu
Gesicht. Offenbar waren sie nach Panong zurückgeschickt worden.
    Nach einer Stunde erschien ein junger
japanischer Militärarzt, untersuchte alle flüchtig auf ansteckende Krankheiten
und wollte sich eben entfernen, als sie ihn baten, nach Ben Collards Bein zu
sehen. Er tat es und sagte, sie sollten nur weiter heiße Umschläge machen. Als
sie ihn fragten, ob man das Kind nicht ins Lazarett bringen könnte, zuckte er
die Achsel. «Ich werde mich erkundigen», sagte er.
    Sie blieben den folgenden und auch noch
den nächstfolgenden Tag in dem Schulhaus. Am dritten schickten sie wiederum
nach dem Arzt, denn Bens Zustand hatte sich verschlimmert. Nur mit Widerstreben
gab dieser den Befehl, den Knaben ins Lazarett zu schaffen. Am sechsten Tag
erfuhren sie, er sei dort gestorben.
     
    In meinem Wohnzimmer am Kamin kauerte
Joan Paget am Boden. Draußen hatte der Wind umgeschlagen. Der Londoner Regen
trommelte gegen die Scheiben. Und während sie in die Aschenglut starrte, sprach
sie gelassen: «Leute, die im Krieg in Gefangenenlagern waren, haben viele
Bücher darüber geschrieben, wie schlimm sie es hatten. Sie wußten nicht, was es
heißt, in keinem Camp zu sein.»
     
     
     

Drittes Kapitel
     
     
    Elf Tage blieben sie in Klang, ohne zu
wissen, was mit ihnen geschehen werde. Das Essen war schlecht und unzureichend.
Es fanden sich

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