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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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hin,
morgen.»
    Er ging, und sie wandte sich an die
Frauen: «Ihr habt es selber gehört. Mit Singapore ist’s nichts.»
    Die Mitteilung berührte die andern
kaum. Sie vegetierten nur noch in den Tag hinein, und Singapore...? Das lag
weit weg.
    «Man will uns, scheint es, nirgends»,
sagte Mrs. Price gleichgültig. «Bobbie, wenn ich noch einmal sehe, daß du Amy
nicht in Ruhe läßt, hau ich dich wie der Vater, verlaß dich drauf!»
    Da sagte die alte Mrs. Frith: «Wenn man
uns nur in Ruhe ließe! Dann würden wir schon einen Platz für uns finden, eins
von den Dörfern... Da könnten wir bleiben, bis alles vorbei ist.»
    Joan stutzte. «Die werden uns nichts zu
essen geben», wandte sie ein. «Allein schon wegen des Essens kommen wir nicht
von den Japanern los.»
    Am folgenden Tag kam Hauptmann Nisui
mit der Mitteilung: «Ihr jetzt gehen nach Kuantan. Frauencamp in Kuantan sehr
gut. Ihr sehr froh sein.»
    Keine Ahnung, wo Kuantan lag!
    Joan fragte: «Wo ist das? Ist es weit?»
    Jemand sagte: «An der Ostküste, hundert
Meilen von hier.»
    Und der Hauptmann wiederholte: «An der
Ostküste. Okay!»
    «Können wir per Bahn hin?» fragte Joan.
    Der Hauptmann: «Sehr leid. Keine Bahn.
Ihr gehen. Zehn, fünfzehn Meilen der Tag. Bald dort. Ihr sehr froh sein.»
    Ruhig versetzte sie: «Captain! Beim
Marsch von zehn, fünfzehn Meilen am Tag sind sieben gestorben. Es werden noch
mehr von uns sterben, wenn wir nach Kuantan laufen müssen. Könnten wir keinen
Wagen bekommen, der uns hinbringt?»
    «Sehr leid. Kein Wagen. Ihr dort bald.»
    Er wollte, sie sollten sich sofort auf
die Beine machen, aber es war schon elf Uhr, und sie wehrten sich. Mit
grenzenloser Geduld errang Joan seine Einwilligung, daß sie erst am folgenden
Morgen in aller Frühe aufbrechen mußten. Sie setzte sogar durch, daß sie zu
ihrem Reis etwas Fleisch bekamen und pro Kopf eine Banane.
    Die wirkliche Entfernung von Gemas nach
Kuantan quer durch die Halbinsel betrug aber hundertsiebzig Meilen. Es war Ende
Mai. An ihren bisherigen Marschleistungen gemessen, brauchte man für die
Wanderung, die längste, die ihnen bisher bevorgestanden, gut sechs Wochen. Aber
bis dahin war ihnen noch immer die Hoffnung vorgeschwebt, nach etwa fünfzig
Meilen am Ziel zu sein.
    Nun aber lagen sechs hoffnungslose
Wanderwochen vor ihnen. Niemand glaubte daran, daß in Kuantan ein Camp sie
aufnehmen werde.
    «Es war ein Fehler, mein liebes Kind»,
äußerte Mrs. Frith, «daß Sie ihm gesagt haben, wir wollten uns hier ein Camp
einrichten. Ich habe gleich gesehen, daß er sich darauf nicht einlassen wird.»
    «Er will uns loswerden», sagte Joan
matt, «alle wollen uns aus dem Weg schaffen.»
    Von einem Sergeanten und einem Soldaten
eskortiert, zogen sie am folgenden Morgen ab. Die Bahn zur Ostküste, die in
Gemas zunächst in nördlicher Richtung abzweigte, war zu dieser Zeit nicht mehr
in Betrieb. Es hieß, die Schienen würden demnächst herausgerissen und zu
irgendwelchem unbekannten strategischen Zweck nach Norden verfrachtet. Für die
Frauen war das belanglos. Von Bedeutung war für sie nur, daß sie nun den ganzen
Tag zwischen den Geleisen laufen mußten, und nie kam ein Zug, der sie auch nur
ein paar Stationen weit hätte mitnehmen können.
    Sie waren ein über den andern Tag etwa
zehn Meilen gewandert, als unter den Kindern ein Fieber ausbrach. Was es für
eine Krankheit war, wußten sie nicht recht. Es begann bei der kleinen Amy Price
mit hoher Temperatur, starkem Schnupfen und Hautausschlag. Vielleicht waren es
Masern. Ein Kind zu isolieren, war unter den gegebenen Umständen
ausgeschlossen, und so steckten sich in den folgenden Wochen, während derer
sich Amy Price allmählich erholte und wieder aufstehen konnte, nach und nach
sieben Kinder an. Als die Krankheit ihren Höhepunkt erreichte, befanden sie
sich auf der Station Bahau, wo sie im Warte-, im Schalterraum und auf dem
Perron kampierten. Unglücklicherweise war der dortige japanische Militärarzt
drei Tage vor ihrer Ankunft in seinem Ambulanzwagen in Richtung Kuala Klawang
abgefahren, und obwohl sie den Ortsvorsteher dazu brachten, daß er ihm
nachtelegrafierte, kam keine Kunde von ihm. Sie waren völlig auf sich selbst
angewiesen; sie kühlten und badeten die müden, schweißtriefenden, armen
Kindergesichter, wechselten und wuschen ihnen, so gut es nur ging, das
verschwitzte Unterzeug. Mehr konnten sie nicht tun. Hilflos und machtlos
standen sie da, und es starben in Bahau vier Kinder: der verwaiste

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