Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
Vom Netzwerk:
nicht
wiederholt; ihr Appetit ließ nichts zu wünschen übrig. Die Sonne hatte sie braun
gebrannt und das Baby an ihrer Hüfte noch brauner.
    Da Seremban Bahnstation ist, hatten sie
gehofft, sie könnten von dort mit dem Zug nach Singapore. Doch als sie Mitte
April in Seremban anlangten, verkehrten die wenigen Züge nur auf kurzen
Strecken, also schwerlich bis Singapore, und binnen kurzem wurden sie wieder
auf die Straße gesetzt, die Straße nach Tampin. Vorher aber sollte sich ihre
Schar noch um ein weiteres Mitglied verringern.
    Ellen Forbes war die junge Dame, die in
Kuala Lumpur hatte heiraten wollen. Daß sich die Sache zerschlagen hatte,
konnte man schon nach den ersten Wochen des engen Beisammenseins sehr wohl
verstehen. Sie war munter, aber innerlich hohl, haltlos und gab sich für den
Geschmack der anderen Frauen zu viel mit japanischen Soldaten ab. Das
Schulhaus, in dem sie in Seremban Unterkunft fanden, lag am Rande der Stadt,
die voll Militär war. Am Morgen war keine Ellen zu sehen, und man sah sie nie
wieder.
    Mrs. Horsefall und Joan meldeten das
Verschwinden dem Offizier, gaben der Vermutung Ausdruck, das Mädchen sei von
Soldaten entführt worden, erhielten auch das Versprechen, der Fall werde
untersucht, doch es geschah nichts. Zwei Tage danach kommandierte man sie nach
Tampin und schob sie unter Bewachung ab.
    In Tampin, wo sie ein paar Tage
blieben, bekamen sie so wenig zu essen, daß sie buchstäblich Hunger litten und
noch mehr herunterkamen. Auf ihre Vorstellungen hin schickte sie der
Ortskommandeur mit einer neuen Bewachung weiter nach Süden, nach Malacca, dem
Hafen südöstlich von Port Dickson. Sie wagten kaum mehr zu hoffen, dort ein
Schiff zu finden, und es war auch keines da; der diensttuende Militärbeamte
schickte sie schleunigst wieder nach Tampin zurück. Mühselig und verdrossen
machten sie sich auf den Weg. In Alor Gajah starb Judy Thomson.
    Im Hungerdorf Tampin zu bleiben, hätte
nur noch mehr Todesfälle zur Folge gehabt. Sie baten nunmehr, zu Fuß nach
Singapore ziehen zu dürfen. Ein Korporal erhielt den Befehl, sie nach Gemas zu
bringen.
    Auf diesem Weg, in Ayer Kuing, starb
Mitte Mai die gute Horsefall. Von dem Malariaanfall, oder was es sonst für ein
Fieber war, das sie zwei Monate zuvor befallen, hatte sie sich nie erholt;
immer wieder hatten sich neue leichte Fieberanfälle eingestellt, so daß Joan
vermutete, es sei gar keine Malaria gewesen; aber das blieb sich gleich.
Schwach, schrecklich schwach war sie. Dazu gesellte sich in Ayer Kuing wiederum
Ruhr; das Herz versagte, sie starb an Erschöpfung.
    Aber da war die über fünfzig Jahre alte
Mrs. Frith, ein verkümmertes Frauchen, das immer mit einem Bein im Grabe zu
stehen schien und den letzten Schritt doch nicht getan hatte — die nahm sich
nun des Sohnes Johnnie Horsefall an, und diese neue, freiwillig übernommene
Pflicht wirkte Wunder an ihr. Von Stund an besserte sich ihr Befinden; sie
ächzte auch nachts nicht mehr.
    Drei Tage danach waren sie in Gemas, wo
man sie, wie in den meisten größeren Ortschaften, ins Schulhaus steckte. Der
japanische Stadtkommandant, ein Hauptmann Nisui, inspizierte sie noch am
gleichen Abend. Bis zu ihrer Ankunft hatte er nichts von ihnen gewußt, aber das
waren sie gewohnt, und Joan erklärte ihm, sie seien Kriegsgefangene auf dem Weg
ins Gefangenencamp Singapore.
    Seine Antwort: «Gefangene nicht gehen
Singapore. Strenger Befehl. Woher ihr kommen?»
    Sie gab die gewünschte Auskunft und
setzte mit einer aus vielen Enttäuschungen gewonnenen Ruhe hinzu: «Wir sind
jetzt über zwei Monate unterwegs. Wir müssen in ein Lager, sonst sterben wir
alle. Sieben von uns sind unterwegs schon gestorben. Bei unserer Gefangennahme
waren wir zweiunddreißig; jetzt sind wir noch fünfundzwanzig. So geht es nicht
weiter. Wir müssen nach Singapore ins Lager. Sie werden das verstehen.»
    Er radebrechte: «Nicht noch mehr
Gefangene Singapore. Strenger Befehl. Zu viel Gefangene Singapore. Sehr leid.»
    «Aber, Captain Nisui, das kann sich
doch nicht auf Frauen beziehen! Das gilt sicher nur für Männer.»
    Er aber wiederholte: «Nicht mehr
Gefangene Singapore. Strenger Befehl.»
    «Dann lassen Sie uns hier», schlug die
Verzweifelte vor. «Wir werden uns selber ein Camp einrichten. Wenn Sie uns nur
einen Arzt schicken würden...»
    Der Hauptmann, mit zusammengekniffenen
Augen: «Gefangene nicht hier bleiben.»
    «Aber was sollen wir tun? Wo können wir
hin?»
    «Sehr leid. Ich sagen euch, wo ihr

Weitere Kostenlose Bücher