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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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Reis.»
    «Mat Amin», sagte Joan, «ich habe
ernste Dinge mit Euch zu besprechen. Wäre unter uns Frauen ein Mann, wir hätten
ihn zu Euch geschickt, damit er für uns das Wort ergreife; doch es ist kein
Mann da. Werdet Ihr nicht ungehalten sein, wenn wir Euch darum bitten, mit
einem Weib ein Geschäft zu besprechen, das Weiber angeht?» Sie hatte gelernt,
wie man mit einem Mohammedaner zu reden hat.
    Mat Amin bin Taib verneigte sich
förmlich vor ihr und geleitete sie in sein Haus, auf die schwanke Veranda, auf
deren Fußboden sie einander gegenüber Platz nahmen. Er war ein würdiger
Fünfziger, mit mongolischen Augen, kurzgeschnittenem Haupthaar, kleinem
gestutztem Bart und nackt bis zu den Hüften. Er trug einen Sarong. Sein Gesicht
war kantig, aber nicht unfreundlich. Er rief seiner Frau, sie solle Kaffee
bringen. Joan wartete, bis dieser aufgetragen war, und unterhielt mittlerweile
eine leichte Höflichkeitskonversation; nach sechs Monaten in malaiischen
Dörfern wußte sie, was sich schickt.
    Der Trank in den zwei dickwandigen
Gläsern war ungesüßt. Sie beugte sich über ihr Glas, hob es dann empor, nippte,
setzte es nieder und sagte frei und offen: «Unser Wächter ist tot. Was nun mit
uns wird, liegt in unserer Hand und in der Euren. Ihr kennt unsere Geschichte.
Seit man uns in Panong gefangennahm, sind wir viele Hundert Meilen zu Euch
gewandert. Kein japanischer Kommandeur wollte uns in einem Camp Unterkunft,
Nahrung und ärztliche Pflege gewähren; jeder meinte, dafür solle ein anderer
sorgen, und so marschierten wir unter Bewachung von Ort zu Ort, und daher liegt
die Hälfte unseres Trupps am Wege begraben.» Mat Amin senkte zum Zeichen der
Trauer den Kopf, und sie fuhr fort: «Nun aber, da unser Gunso tot ist, was
wollen wir tun? Wandern wir weiter, finden wir einen japanischen Offizier,
berichten wir ihm das Geschehene, so wird er uns abweisen. Denn uns will
niemand in diesem Land. Sie töten uns nicht auf der Stelle, wie sie es mit
Männern täten. Sie werden uns wieder in Marsch setzen, immer wieder nach einer
anderen Ortschaft, in Sumpfgebiete wie jene, die wir durchzogen haben, und
wieder werden Krankheiten uns befallen, und eine nach der andern, ein Kind nach
dem andern wird sterben, manchmal auch zwei oder drei am gleichen Tage. Dies
liegt vor uns, wenn wir uns jetzt an die Japaner wenden.»
    Der Mohammedaner versetzte: «Es steht
geschrieben, daß die Engel verkündeten: ‹Es soll eine jede Seele vom Tode
kosten. Wir werden euch erproben mit dem Bösen und mit dem Guten, zu eurer
Prüfung, und ihr werdet dereinst zu uns zurückkehren.›»
    Rasch sann sie auf eine Antwort; die
Worte des Häuptlings in Dilit kamen ihr in den Sinn, und sie antwortete: «Es
steht auch geschrieben: ‹So du gut bist zu Frauen und dich scheuest, ihnen ein
Leid anzutun, so sieht Gott es mit Wohlgefallen.›»
    Er fragte ernst: «Wo steht dies
geschrieben?»
    «In der Vierten Sure.»
    «Seid ihr von unserem Glauben?» fragte
er zweifelnd, und sie verneinte: «Wir wollen euch nicht hintergehen; wir alle
sind Christen. Der Vorsteher eines Dorfes auf unserem Wege war gütig zu uns,
und als wir ihm dankten, sprach er jene Worte. Ich selbst bin unkundig des
Korans.»
    «Aber klug», sagte Mat Amin. «Was ist
euer Begehr?»
    «Hierzubleiben in eurem Dorf und auf
den Reisfeldern zu arbeiten, wie eure Frauen es tun.»
    Er blickte sie erstaunt an, und sie
gestand: «Es ist für Euch von Gefahr; wir wissen es wohl: Wenn japanische
Offiziere uns hier in Kuala Telang entdecken und Ihr uns nicht vorher gemeldet
habt, kann es böse Geschichten geben. Daher schlage ich vor: Lasset uns morgen
schon mit der Arbeit beginnen und eine oder zwei eurer Frauen uns darin
unterweisen! Wir werden den ganzen Tag für unser Obdach und unsere Nahrung
arbeiten. Zwei Wochen lang. Dann werde ich selber einen japanischen Offizier aufsuchen
gehen, uns melden und ihm erzählen, was wir gearbeitet haben. Ihr selbst als
Haupt dieses Dorfes sollt mit mir kommen und dem Japaner sagen, wenn er uns
gestatte, weiterhin auf den Feldern zu schaffen, werde für die Japaner mehr
Reis vorhanden sein. Das ist unsere Bitte an Euch.»
    «Ich habe noch nie gehört, daß weiße
Mems in Paddyfeldern arbeiten», sagte er zögernd, und sie geschwind: «Habt Ihr
jemals gehört, daß weiße Mems marschieren und sterben, wie wir marschiert und
gestorben sind?»
    Keine Antwort.
    «Wir sind in Eurer Hand», sagte das
Mädchen. «Wenn Ihr jetzt sagt: «Zieht eurer Wege!

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