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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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Wellblech, welches durch ein Holzgerüst zusammengehalten war. An die
Universal-Wellblechdächer hatte sich Joan schon einigermaßen gewöhnt, allein
die Wellblechwände ihres Schlafgemaches waren ihr etwas Neues. Auch daß auf der
gemeinsamen Veranda zwei Betten standen.
    Die Wirtin, Mrs. Connor, die endlich
erschien, war offenbar ihrem Mittagsschläfchen entrissen worden. Sie war
grauhaarig, groß, in den Fünfzigern und machte einen energischen Eindruck. Joan
wünschte ihr guten Tag, stellte sich vor, gab ihre Absicht kund, bis nächste
Woche zu bleiben, und fragte, ob sie ein Zimmer bekommen könne.
    Die Frau musterte sie von oben bis
unten. «Ja, ich weiß nicht recht», sagte sie. «Sind Sie allein?»
    Joan bestätigte und sagte ihr
Sprüchlein auf. «Ich will von hier nach Cairns.»
    «Ah, Sie haben das Flugzeug verpaßt?»
    «Richtig.»
    Die Frau sah sich um. «Ich weiß nicht
recht», wiederholte sie. «Auf dem Balkon schlafen die Männer. Das kann ich
Ihnen doch nicht zumuten.»
    Sam Small schlug vor: «Wie wäre es mit
einer der beiden Kammern hinten hinaus, Ma?»
    «Ja, wenn sie will», sagte die Frau;
«da ist auch ein Balkon. Der geht auf den Hof. Da sehen Sie immer, wenn die
Boys auf ‹Für Männer› gehen; das läßt sich nun einmal nicht ändern.»
    «Ich denke, ich werde auch dies
überleben», versetzte Joan.
    «Waren Sie schon einmal in einer
Outback-Stadt?» fragte die Wirtin.
    «Nein. Ich komme gerade aus England.»
    «So? Wie sieht’s denn da aus?»
    Joan sagte ihr zweites Sprüchlein auf,
und Mrs. Connor erzählte, eine ihrer Schwestern sei mit einem Engländer
verheiratet und wohne «in einem Ort mit Namen Goole.» Damit faßte sie Joan
unterm Arm und führte sie in die nach dem Hof zu gelegene Kammer, die einen
sauberen Eindruck machte. Sogar ein Moskitonetz war vorhanden. Die der Tür
gegenüber befindliche offene Glastür führte auf den Balkon. Es zog angenehm
frisch.
    «Den Balkon benutzt sonst niemand; nur
Annie — das ist unser Mädchen — muß drüber; sie schläft nebenan. Wenn Sie
nachts einmal hören, daß da etwas vorgeht, sagen Sie es mir bitte sofort! Auf
das Ding muß man verdammt aufpassen», worauf sie die Lüftungsmöglichkeiten
erörterte: «Sie lassen einfach die Tür ein bißchen offen; stellen Sie ihren
Koffer dagegen, damit niemand versehentlich hereinstolpert! Die Balkontür kann
ganz offen bleiben; dann haben Sie den schönsten Durchzug. Ich habe mich in dem
Zimmer immer sehr wohl gefühlt.» Sie schielte auf Joans Rechte. «Sie sind nicht
verheiratet?»
    «Nein.»
    «Na, da werden die Ringer aus dem
ganzen Distrikt in die Stadt sausen, um Sie in Augenschein zu nehmen. Machen
Sie sich darauf gefaßt!»
    Joan lachte. «Ich bin’s.»
    «Sie sind also die Freundin von Joe
Harman?»
    «Nein, ich kenne ihn nur aus dem Krieg;
wir haben in Singapore zusammen auf die Heimreise warten müssen», sagte Joan
und war damit der Wahrheit schon etwas näher. «Da ich gerade in Australien war,
habe ich ihm meinen Besuch telegraphisch angekündigt. Es kam keine Antwort, und
da bin ich hergeflogen, um nach ihm zu sehen. Und jetzt ist er auf Walkabout!»
    Die Frau schmunzelte. «Sie können ja
schon australischen Dialekt.»
    «Ein bißchen habe ich im Krieg von Joe
Harman gelernt.»
    Sam Small brachte den Handkoffer
herauf. Sie dankte ihm, und er verabschiedete sich etwas verlegen. Sie zog sich
aus, ging unter die Brause, legte das andere Kleid an, und als die Glocke zum
Abendtee laut dröhnend im Wellblech widerhallte, war sie bereit.
    Unten im Wirtssaal saßen vier Männer,
welche den neuen Gast neurgierig beäugten. Ein vollbusiges sechzehnjähriges
Mädchen, die von der Wirtin erwähnte Annie, wies sie an einen kleinen
Extratisch.
    «Roastbeef, Lammbraten, Schweinebraten,
gebratener Truthahn-Tee oder Kaffee?» schnurrte das «Ding» herunter.
    Die Hitze war zum Umfallen, Fliegen
durchsummten die Wirtsstube und setzten sich Joan auf Wangen, Lippen, Hände und
Nasenspitze.
    «Truthahn», sagte sie und beschloß, am
folgenden Tag, sobald sie sich etwas besser auskannte, für eine leichtere und
gesündere Ernährung zu sorgen. «Und Tee!»
    Annie trug eine Platte voll Fleisch und
Gemüse auf, kochend heiß, hoch gehäuft, mit viel Fett, eine Lockspeise für die
Fliegen, die sich sogleich scharenweise darüber hermachten. Zum Tee gab es
Büchsenmilch. Die Kartoffeln schienen frisch, die Karotten jedoch und die Zwiebeln
offenbar aus der Büchse. ‹Das im Verein mit der Fliegenplage

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