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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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damals
waren, als es hier noch Gold gab!»
    «Ja, das Gold...!» meinte ein anderer,
«lang vorgehalten hat’s nicht. 1893 wurde zum erstenmal welches gefunden, und
1905 waren die meisten Goldgräber schon wieder weg.»
    Bei diesen Reden der Männer stellte das
Mädchen sich vor, wie der verödete Ort wohl als Stadt mit achttausend oder
dreißigtausend Einwohnern ausgesehen haben mochte: ein Haus am andern und
siebzehn Hotels! Wer immer den Stadtplan entworfen, die Fluchtlinien festgelegt
hatte — er hatte eine großartige Vision vor Augen gehabt; das Bild einer
Bevölkerung, die sich binnen wenigen Tagen verdoppelt. Immer mehr Leute
strömten herbei, um Schürfrechte zu erwerben. O ja, dieser Städteplaner hatte
Anlaß genug, von einem New York im Süden der Kap-York-Halbinsel am
Carpentaria-Golf zu träumen! —
    Es war völlig dunkel geworden. Pete und
Al gingen über die Straße hinüber, um das Bohrloch in Brand zu setzen. Nachdem
sie ein Dutzend Zündhölzer verbraucht hatten, lohte es auf, die Flamme schoß
hoch empor, warf ihr Licht über die ganze Gegend, tanzte und flackerte zwischen
Dämpfen und Springquell, wurde durch einen ausbrechenden Guß jählings gelöscht,
abermals angezündet, und Joan bewunderte pflichtschuldigst das Schauspiel, die
einzige Sehenswürdigkeit in Willstown. Man war sichtlich bemüht, ihr die Zeit
nicht lang werden zu lassen.
    «Wunderbar!» rief sie, «so etwas gibt
es in England nicht!»
    Aber die Willstowner wehrten bescheiden
ab: Die meisten Orte in der Gulf Country hätten eine Bohrung zum Anzünden.
    Müde vom Flug und der Hitze des Tages
verabschiedete sich Joan gegen neun Uhr, und alle wünschten ihr gute Nacht.
Doch ehe sie ihre Kammer aufsuchte, nahm sie AI Burns beiseite und bat ihn:
«Ich möchte gerne Jim Lennon sprechen — so heißt doch der Leiter von Midhurst?
Glauben Sie, Al, daß er vor meiner Abreise noch in die Stadt kommt?»
    «Samstag wird er wohl hier sein»,
meinte Al, «da trinkt er gewöhnlich seinen Grog. Wenn jemand bis dahin
hinausfährt, kann er ihn benachrichtigen, daß Sie da sind und ihn sprechen
wollen.»
    «Hat Midhurst keinen Sender?»
    «Wozu?» meinte er, «es ist doch so nahe
bei Willstown. Wenn jemand krank wird oder ein Unfall passiert, ist man mit ihm
in einer Stunde hier im Spital, und die Radioschwester kann den Doktor
benachrichtigen. Wenn niemand in den nächsten Tagen hinausfährt und Jim Lennon
Samstag nicht hier ist, fahre ich Sie am Sonntag nach Midhurst.»
    «Sehr liebenswürdig, aber ich will
Ihnen keine Arbeit machen.»
    «Arbeit?» sagte er. «Das nenne ich
Abwechslung.»
    Joan ging zu Bett. Die elektrische
Beleuchtung des «Hotel Australien» wurde auf dem Hinterhof unter ihrem Fenster
mittels eines Benzinmotors und einer Dynamomaschine erzeugt. Sie hörte den
Lärm, hörte, wie um zehn Uhr die Bar geschlossen und fünf Minuten nach zehn der
Motor abgestellt wurde. Alle Lichter erloschen, und Willstown schlief.
     
    Als sie erwachte, war es fünf Uhr. Sie
hörte die Hausbewohner aufstehen und sich waschen und lauschte im Halbschlaf
den Morgengeräuschen. Frühstück gab es erst um halb acht. Sie erhob sich
gemächlich, ging unter die Brause und fand sich rechtzeitig im Wirtslokal ein.
    Das Standard-Frühstück von Willstown
aber bestand aus einem halbpfündigen Beefsteak mit zwei Spiegeleiern, und als
Joan die Serviermaid Annie bat, sie möge ihr statt dessen nur ein einziges
Spiegelei bringen, setzte diese kopfschüttelnd der Engländerin auseinander, was
hierzulande Brauch sei: «Frühstück ist Steak und Eier.»
    «Ich weiß, aber ich wünsche kein
Steak.»
    «Sie müssen es ja nicht essen»,
erwiderte Annie.
    «Ist es unmöglich, ein Ei ohne Steak zu
bekommen?» fragte die Britin.
    «Aha! Sie meinen ein Spiegelei auf
einem besonderen Teller.»
    «Richtig.»
    Mit Essen sparen, war für Willstown
anscheinend etwas Neues, denn Annie erwiderte: «Da muß ich erst Mrs. Connor
fragen», ging zurück in die Küche und kehrte von dort mit einem Beefsteak und
zwei Spiegeleiern zurück. «Hier gibt’s zum Frühstück nur das», erklärte sie.
    Joan gab den Kampf auf.
    Danach begab sie sich zu Mrs. Connor in
die Küche. «Ich möchte mir ein paar Sachen waschen», sagte sie. «Darf ich Ihr
Waschfaß benützen? Und — hätten Sie vielleicht ein Bügeleisen?»
    «Geben Sie Ihr Zeug nur her!» sagte die
Wirtin, «das macht die Annie.» Da aber Joan nicht die Absicht hatte, sich ihre
wenigen Kleidungsstücke ruinieren zu lassen,

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