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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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Sechzehnjährigen ergriff sie.
    «Es tut mir entsetzlich leid, liebe
Annie, aber ich weiß wirklich nicht... Ich hielte es auch gar nicht für gut,
wenn Sie so etwas täten.»
    «Ich war vorhin im Spital, und da hat
mir Schwester Douglas gesagt, was mit mir los ist! Wenn mein Vater es erfährt,
schlägt er mich krumm und lahm!»
    Joan nahm sie bei der Hand, setzte sich
mit ihr aufs Bett.
    «Ich muß was zum Einnehmen haben»,
sagte die Geängstigte, «es soll ja auch weggehen, wenn man scharf Trab reitet;
glauben Sie nicht? Ich dachte, vielleicht ist Ihnen das auch einmal passiert,
und Sie kennen sich aus.»
    «Ich hatte nie mit so etwas zu tun,
Annie. Aber warum sagen Sie ihm nicht, er soll Sie heiraten? Das wäre das
einfachste.»
    «Wem soll ich’s denn sagen?» fragte die
Unglückliche. «Jeder behauptet, es war ein anderer...»
    «Ja, wenn es so steht...» Joan war
ratlos, und Annie meinte: «Ich denke, ich frage Bessie; das ist meine
Schwester. Sie hat vor der Hochzeit zwei Kinder gehabt, vielleicht —»
    «Was hat denn Schwester Douglas
gesagt?» fragte Joan.
    «Ich war ein gemeines Frauenzimmer.
Sonst nichts. Und das nützt mir nichts. Meinetwegen, dann bin ich eben ein
gemeines Frauenzimmer. Möchte wissen, was man hier in dem Drecknest sonst sein
soll!»
    Joan suchte sie zu trösten, aber mit
Worten war der Schwangeren nicht gedient. «Wenn mein Vater dahinterkommt,
schlägt er mich kaputt.»
    Die zwei folgenden Tage verbrachte Joan
teils auf der Veranda in Gesprächen mit den Burschen und Ringern, teils mit
Besichtigungen. Miss Kenroy nahm sie mit in die Schule; Schwester Douglas
zeigte ihr das Spital, Mr. Carter das Bezirksgebäude mit einigen geradezu
rührend armseligen Büchern, die den Namen «Stadtbibliothek» trugen. Die
Handelsbank, in der Mr. Watkins sie herumführte, war voller Fliegen. Zur
Besichtigung des Polizeipostens lud Polizeisergeant Haines sie
freundlicherweise ein. Auf diese Weise wußte sie am Ende der Woche über
Willstown gründlich Bescheid.
    Am Samstag erschien Jim Lennon, wie
vorausgesagt, zu seinem Grog in der Stadt. Er war ein hagerer, sonnengebräunter
einsilbiger Mann. Sein Wagen gehörte, wie Joan erfuhr, Joe Harman und war eine
sogenannte Universal-Utility; die geräumige «Brücke» hinter der Führerkabine
war mit Tanks für dreihundertzwanzig Liter Treibstoff und zweihundertdreißig
Liter Wasser versehen.
    «Ich erhielt gestern», teilte er ihr in
der gemessenen queensländischen Sprechweise mit, «einen Luftpostbrief. Joe
kommt zu Schiff. Trifft Mitte Oktober ein. Sagt er.»
    Fast ebenso knapp, nur rascher
antwortete Joan: «Ich muß ihn sprechen, fliege Mittwoch nach Cairns und erwarte
ihn dort.»
    «Gut so. Was sollen Sie hier
herumsitzen? Ich würde Sie nach Midhurst einladen, aber da ist noch weniger
los, Miss Paget.»
    «Ja, was hat denn Joe in England so
Wichtiges zu tun?» fragte Joan noch lebhafter. «Das muß er Ihnen doch gesagt
haben.»
    Der Viehhalter lachte. «Ich habe nicht
einmal gewußt, daß ergeht. Er ist nach Brisbane, und dann kommt ein Brief: Er
fliegt nach England. Warum? Keine Ahnung. In dem Brief gestern steht: Er hat
eine bonza Herde Herefords gesehen, bei einem Sir. Vielleicht bringt er einen
Stier mit. Mir hat er nichts gesagt, daß er die Zucht verbessern will.»
    Sie gab ihm ihre Adresse in Cairns,
«Strandhotel», und bat ihn um Nachricht, sobald er Genaueres über Joes Ankunft
wisse.
    Als sie am Abend wieder in ihrem
Liegestuhl auf der Veranda saß, brachte Al Burns einen bärtigen, etwas
schüchternen Alten angeschlepppt, den er mit Mühe und Not mitsamt seinem
Reisesack von der Bar losgeeist hatte.
    «Miss Paget», rief er voll Stolz, «hier
bringe ich Ihnen den größten Alligatorjäger von Queensland: Jeff Pocock!»
    Joan erhob sich in Ehrfurcht und
reichte der Sehenswürdigkeit freundlich die Hand.
    «Jeff!» ermunterte Al, «sage der Lady,
was du für ein Alligatorjäger bist!»
    Der Alte wackelte vergnügt mit dem
Kopf. «Schon als Bub habe ich ‘gators gejagt, schon als Bub. Ich kenne die
Biester durch und durch.»
    «Er hat eine Alligatorhaut bei sich,
Miss Paget», sagte der eifrige Al, «er wird sie Ihnen zeigen. — Jeff! Zeige der
Lady die Haut! Ich wette, so eine hat sie in England noch nie gesehen!»
    Jeff Pocock öffnete seinen Reisesack
und förderte eine eng zusammengerollte Alligatorhaut zutage.
    «Die da», sagte er, «hab ich selber
geputzt und gestutzt und gegerbt. Meistens salzen wir sie bloß ein und
verkaufen sie

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