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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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Kinder oder schon verheiratet.
Zwischen siebzehn und zweiundzwanzig haben wir nur die Susie und die Doris.»
    «Susie erst zweiundzwanzig? Daß ich
nicht lache!» lachte ein anderer Ringer.
    «Es müssen doch hier in der Gegend mehr
als zwei junge Mädchen leben!» meinte Joan verwundert. «Wo sind sie denn?»
    «Die gehen in die Stadt in Stellung. In
Willstown ist nichts. Sie ziehen lieber nach Townsville, nach Rockhampton, auch
nach Brisbane!»
    «Ja, Brisbane, da gehen sie hin!» sagte
Pete. Joan dachte an Harman und seine Begeisterung für den Outback und fragte:
«Gefällt’s Ihnen auf der Viehstation nicht?»
    «Oh, die Station, gegen die sage ich
nichts; die ist gut!» Pete Fletcher suchte nach einem schicklichen Ausdruck;
die Dame aus England sollte keinen schlechten Eindruck von ihm bekommen, «Ich
meine», stammelte er, «man will doch auch einmal ein Mädchen haben und
heiraten... so wie andere Männer...»
    «Jaso!»Joans Blick ging in die Ferne.
«So ist das hier...»
    «Klar!» rief einer. «Wir reden offen zu
Ihnen, Lady. Zwei Mädchen auf fünfzig Männer, das ist ein unhaltbarer Zustand!
    Als Mann hat man hier überhaupt keine
Heiratsaussichten.»
    Und ein anderer erklärte: «Sehen Sie,
Miss Paget, ein nettes, hübsches Mädchen, wo alles da ist, eine zum Beispiel
wie Sie — die bleibt doch nicht hier! Sobald sie alt genug ist, von daheim
wegzugehen, sucht sie sich eine Stadt, wo sie ihren Unterhalt verdient und
ihrem Alten nicht auf der Tasche liegt. Die einzigen, die vielleicht hier
bleiben, sind zu blöd, um draußen vorwärtszukommen, oder müssen hier ihre Alten
pflegen.»
    «Und selbst die», klagte ein vierter,
«selbst die ziehen schließlich in eine richtige Stadt und lassen die Alten
nachkommen. Wie war’s denn mit Elsie Freeman, hä?!»
    Joan lachte. «Sie meinen also, wenn Sie
in Willstown bleiben wollen, müssen Sie mit einer dummen Gans vorlieb nehmen?»
    Die Burschen sahen einander verlegen an
und protestierten dann: «Oho! So blöd sind wir nun wieder nicht. Wir sehen uns
auch anderwärts um; wir schnüren das Bündel —»
    «Ja, wer soll denn dann aber all die
Stationen in Betrieb halten», rief Joan bestürzt, «wenn Ihr abwandert?»
    Darüber soll sich der Manager den Kopf
zerbrechen», trotzte Pete. «Ich habe meine eigenen Sorgen.»
    Am Abend, kurz vor dem Tee, fuhr eine
Utility vor, ein mitgenommener alter Chevrolet; vorn war die Chauffeurkabine
und hinten ein offener Kasten. Am Steuer saß ein hagerer Fünfziger mit
durchgeistigten Zügen und neben ihm in hellrotem Kleid eine lächelnde
Fünfundzwanzigjährige mit glatter, brauner Haut, eine Eingeborene mit einem
weißen Großelternteil, eine sogenannte Lubra. Auf dem Schoß hielt sie ein
Kätzchen, dem ihre ganze Liebe und Aufmerksamkeit galt. Sie stiegen aus; der
Mann trug das Handgepäck ins Hotel. Beim Tee saß das seltsame Paar an der Table
d’hote, aber für sich, abseits von den übrigen Gästen.
    Joan, für die wieder der Extratisch
gedeckt war, erkundigte sich nach dem Essen bei der Wirtin, wer die
Neuankömmlinge seien, und erhielt die Antwort: «Das ist Eddie Page, der die
Station etwa hundert Meilen landeinwärts managt. Die Lubra ist seine Frau. Sie
kaufen hier Vorräte.»
    «Seine richtige Frau?» fragte Joan.
    «Ja, er hat sie richtiggehend
geheiratet. Frater Copeland von den Buschbrüdern hat die beiden letztes Jahr
hier getraut. Sie steigen von Zeit zu Zeit bei mir ab, und ich muß sagen: Die
Frau hat noch nie Anlaß zu Klagen gegeben. Lesen und schreiben kann sie ja
nicht. Sie hat immer ein Hündchen oder Kätzchen bei sich; das ist ihr
Höchstes.»
    Der Mann mit dem geistvollen Gesicht
schien so gar nicht zu dieser Frau zu passen, fand Joan.
    «Warum hat er sie geheiratet?» fragte
sie.
    Mrs. Connor zuckte die Achsel:
«Vermutlich, weil es ihm sonst da draußen zu langweilig ist.»
     
    Als Joan bald darauf schlafen ging, sah
sie auf dem Balkon vor ihrem Zimmer im Dunkel eine Gestalt. Es konnte niemand
anderer als Annie sein. «Gute Nacht, Annie!» rief sie ihr durch die offene
Glastüre zu.
    Mit verstörtem Gesicht trat das Mädchen
zu ihr in die Kammer.
    «Darf ich Sie etwas fragen, Miss
Paget?» stieß es hervor.
    Joan stutzte. «Gewiß, Annie. Was ist
denn? Reden Sie nur!» ermunterte sie das Mädchen.
    «Könnten Sie mir sagen, wie man ein
Kind los wird, Miss Paget?»
    Nach dem Gespräch am Morgen beim
Waschfaß hatte sich Joan schon so etwas gedacht, und tiefes Mitleid mit der
armen

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